An die Wand gesprüht

Unbesorgt Verreisen

 

 

Warum

… ich gerne mit der Bahn fahre.

Anlass

Eine Reise nach München, die nicht ganz unbeschwert verlief.

Wir wollten nach München. Das ist von Saarbrücken aus keine Weltreise. Wir freuten uns „wie Bolle“, denn wir hatten uns unter anderem einige Restaurants zum Kennenlernen herausgesucht, die wir noch nicht besucht hatten. Die Reisezeiten mit der Bahn buchte der Liebste moderat, Abfahrt gegen 10 Uhr am Morgen, schließlich hatten wir ja Zeit. Das Hotel bester Klasse, zentral gelegen, wartete auf uns. So kamen wir in Hochstimmung am Heimatbahnhof an und waren noch komplett unbesorgt.

Wir verreisen mit dem Zug. Dabei müssen wir meistens in Mannheim umsteigen. Im Grunde nicht problematisch. Als wir jedoch bei dieser Reise am Bahnsteig in Mannheim auf den Anschlusszug warten, blickte der Liebste – ebenfalls wie meistens – dem in der Ferne einlaufenden Zug entgegen und meinte: „Der da kommt, ist aber nicht unser ICE.“

Ich verstand nicht genau, was er damit meinte, denn ich erkenne Züge nicht an ihrem Aussehen. Allerdings reagierte ich bei dieser Bemerkung geistesgegenwärtig. Falscher Zug und vielleicht auch kein Bistro? Oh Gott! Denn die Befürchtung, während der Reise unterversorgt zu sein, was auch kommen möge, ließ mich blitzschnell auf den am Bahngleis aufgestellten Selbstbedienungsautomaten zugreifen. Da ich nie auf Reisen gehe ohne ein Beutelchen mit Münzen, konnte ich so einen vielleicht erforderlichen Not-Proviant mit Mineralwasser, Cola einigen Brötchen und Keksen problemlos zusammenstellen. Annähernd vier Stunden wollten schließlich ohne Hungerast überstanden sein!

Rochade am Bahnsteig zwischen A und G

Wir hatten uns in den Bahnsteigbereichen A bis G dort postiert, wo unser Wagen mit den gebuchten Plätzen gemäß dem Wagenstandanzeiger zum Stehen kommen sollte. Beim Einfahren des Zuges sahen wir uns dann in der Befürchtung bestätigt, dass offensichtlich der ICE ausgefallen war. Während der Ersatzzug bereits am Bahnsteig einrollte, dann die Lautsprecherdurchsage: „Die Reihung der Wagen erfolgt heute in umgekehrter Folge.“ Also spurteten wir, so schnell es ging, in den Bereich, der für unser Einsteigen richtig sein sollte – mehr oder weniger am entgegengesetzten Teil der „Wagenreihung“. Hinweise, wo denn nun unsere gebuchten Plätze zu finden seien, gab es nicht am Bahnsteig, zudem hätten wir sie aufgrund der grottigen Tonqualität aus dem Lautsprecher ohnehin nur schwer verstanden. Atemlos stiegen wir ein – und waren verloren.

Platz perdu

Der Ersatzzug hatte nur einen einzigen Wagen erster Klasse angehängt, der bereits proppenvoll war. Was nun also? Wir hatten uns auf die Reise gefreut und auch den finanziellen Aufwand nicht gescheut. Plätze in der ersten Klasse waren es uns Wert, zumal bei rechtzeitiger Buchung nicht übermäßig kostspielig. Aber es kam halt anders: Im Saarland sagt man dazu „Pfeifendeckel“. Wir fragten die Zugbegleiterin, wie wir vorgehen sollten. Wo sind denn nun noch zwei Erster-Klasse-Plätze für uns? Sie wirkte hilflos bis genervt, zuckte nur mit den Schultern und sagte, dass unsere Reservierung „dahin“ sei und es eine neue nicht gebe. Plätze müssten wir uns selbst suchen. Der Liebste behält immer die Ruhe, ich eher nicht. Ich hätte der stoischen Beamtin gerne eins in die Visage gegeben, um sie aufzurütteln, und an ihre Aufgaben zu erinnern. Was ist bitte „Service“?

Ruhige 2. Klasse

Schließlich fanden wir auf eigene Faust zwei Plätze in einem der vorderen Wagen der zweiten Klasse. Das Abteil war dünn besetzt, und wir saßen uns sogar recht luftig gegenüber. Der Liebste am Fensterplatz in Fahrtrichtung, ich auf der anderen Seite, denn ich betrachtete mir lieber den Liebsten als die vorbeirauschende Landschaft, von der mir manchmal leicht schwindlig wird. Ich naschte ein paar Automaten-Kekse und schlug meinen Kindle auf. Was soll es denn: Es ist, wie es ist. Sollten wir uns nun für die nächsten Stunden krause Gedanken machen und uns aufregen? Ich bin da eher pragmatisch.

Ein Fahrkartenlocher-Stempel

Dann mussten wir uns allerdings doch noch kurz aufregen, denn die Zugbegleiterin wollte uns die verpatzte Reservierung nicht bestätigen („Wie soll ich das denn machen?“) Wir hätten so später keine Chance auf eine Erstattung gehabt. Maulend verfasste sie handschriftlich eine Notiz auf dem Ticket und drückte schließlich mit ihrem Fahrkartenlocher ein „amtliches“ Stempelchen darauf. Der Rest der Reise verlief ungetrübt und der Ausstieg am Münchner Hauptbahnhof hat schon etwas! Die Durchsagen hier versteht man außerdem sehr deutlich und klar. Geht doch, trotz Dialekt 😉!

Verschnaufen in München

Vier schöne Tage hatten wir nun zu verleben. Das Wetter spielte mit, zwar kühl war es Ende März, wir hatten jedoch warme Anoraks dabei und konnten in der Sonne draußen sitzen und das Treiben am Viktualienmarkt anschauen. Dort kann man sich bis zum Abend wundervoll durchnaschen, und dafür gibt es wahrlich genügend Auswahl! Zwischendurch kehrten wir im „Dallmayr“ ein und genossen einen Kaffee zu köstlichem Gebäck. Ist man erst einmal in München angekommen, darf man im wahrsten Sinne des Wortes unbesorgt sein, nachdem die Anreise … unbesorgt war😊.

Snail-Mail statt E-Mail

Unsere Rückreise verlief wider Erwarten problemlos und so angenehm, wie wir es uns auch für die Hinreise gewünscht hätten. Wieder zuhause angekommen, begann dann die Auseinandersetzung mit der Bahn. Damals gab es noch nicht die Möglichkeit, seine „Fahrgastrechte“ über ein Onlineformular geltend zu machen. Alles verlief schriftlich auf dem – Postweg. Die erste Antwort der Bahn: „Aus Kulanzgründen wird Ihnen die Platzreservierung erstattet.“ Dann von uns der nächste Brief, es ging ja um die nicht mehr freien Plätze in der 1. Klasse. Wieder längeres Warten auf die Antwort. Dann die „Erlösung“ – die Differenz wurde erstattet! Nach solch schönen Tagen will man diese auch schön in Erinnerung behalten und nicht eine langwierige, bürokratische und furztrockene Auseinandersetzung mit Bahn-Bürokraten haben! Selbst der Formularkrieg erinnerte damals an längst vergessene Jahrzehnte. Mittlerweile gibt es glücklicherweise das „Fahrgastrechte-Formular“ auch online, doch mit der Bahn sind wir seitdem nicht mehr auf du und du. Verdorbene Freude durch unkalkulierbare Hürden bei einer Bahnreise werden aus meiner Sicht nicht wieder ausgleichen.

 

Deutsche Bahn auf Sparflamme

Die Bahn in Deutschland ist leider – ich muss es schreiben – marode. Die Infrastruktur kann nur mittel- bis langfristig aufgrund vieler Versäumnisse in der Vergangenheit nach und nach aufgebessert werden. Die Deutsche Bahn gab bislang im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern einen Bruchteil allein für den Schienenausbau aus: 2012 investierte die Schweiz beispielsweise rund 350 Euro pro Kopf der Bevölkerung für die Schieneninfrastruktur. In Deutschland ließ man sich die Entwicklung etwa 50 Euro kosten. Mit den Jahren rächt sich das und das Aufholen der „Unterlassungssünden“ wird schwierig werden.

Auf bald: Der Weg ist das Ziel

Ich glaube daran, dass ein unbesorgtes Reisen mit der Bahn irgendwann in hoffentlich nicht zu ferner Zukunft wieder möglich sein wird. Doch das wird dauern 😒😞. Was aber machen wir bis dahin? Ab auf die Autobahn zu überhitzten Raserduellen auf den Überholspuren? Erneut angestoßene Diskussionen über ein Tempolimit werden wieder einmal durch FDP und CSU in die Tonne getreten. Schauen wir weiter, wenn bevorstehenden Landtagswahlen vorbei sein werden. Wer steht zu seinen Versprechungen und vor allen Dingen: Wann durchschauen immer mehr Menschen vollmundige Lügen? Über die steigende Zahl der LKW will ich an dieser Stelle erst gar nicht diskutieren. Lkw zum Beispiel könnten doch oft sorglos mit der Bahn vereisen! Als Passagier mit der Bahn unbesorgt zu reisen, sehe ich in der näheren Zukunft nicht.

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