An die Wand gesprüht

Tellerhandschrift. Michael Stortz

 

 

Warum

... ich das Restaurant „Le Délice“ in Stromberg in mein kulinarisches Herz geschlossen habe.

Anlass

Der Wunsch, vom Alltag weg, schnell an einem Ort im Grünen zu sein – ohne Trubel, aber mit viel Gastlichkeit.

Es gibt unterschiedliche Charaktere unter uns. Auch unter den Menschen, die in Küchen Spitzenarbeit leisten und herausragende Kulinarik erschaffen. Einige dieser Kochkünstler lieben die Medienöffentlichkeit und lassen sich gerne feiern. Die anderen sind zurückhaltend, stellen nicht sich, sondern das Produkt in den Vordergrund und widmen ihre Kraft absoluter Perfektion. Einen solch präzise schaffenden Küchenchef, Michael Stortz, habe ich in Stromberg kennen gelernt und erlebte im Restaurant „Le Délice“ eine hochkarätige Handschrift auf dem Teller.
Michael Stortz
Ankunft in Stromberg

Auf die Idee, in den im Hunsrück gelegenen „Soonwald“ zu reisen, führte mich der Wunsch, nach nicht allzu langer Anfahrt eine Auszeit erleben zu können, gut zu speisen und den einen oder anderen gekonnt gekelterten Nahewein zu genießen.

In der Nähe von Bad Kreuznach und Bingen liegt das „Land- und Golfhotel Stromberg“ der Familie Müller. Die Begriffe „Land“ und „Golf“ versprechen, wonach ich suche: Distanz zum nervig bis öden Corona-Alltag und Bewegung in der Natur. In Golfhotels finden auch Nichtgolfer wie ich schnell zur Ruhe, weil diese Häuser in der Regel abseits liegen und von viel Grün umgeben sind. Einputtende Golfsportler sind mir bislang noch nicht durch wilde Aktivitäten und lautes Gebaren aufgefallen, ihre mit diversem Instrumentarium beschickten kleinen Freiluft-Fahrzeuge schnurren still und friedlich vor sich hin. In Golfhotels hat man es mit gut betuchten, doch selten neureichen, überspannten Zeitgenossen zu tun. Und gut betuchte Golfer essen gerne gut. Vielversprechende Stränge verknüpfen sich in einem solchen Ressort. Auch die Wellness nach dem Peilen, Abschlagen und kilometerlangen Marsch über das „Grün“ – vom sportlichen Ehrgeiz geleitet, frönen nicht wenige der Bewegung „per pedes“ – zählt in einem Golfhotel von Rang zur Grundausstattung.

Ein „Tee“ für guten Flug

Golfball auf Tee

Über die Regeln des Golfspiels weiß ich nicht viel. Ein kleiner weißer Ball wird mittels sachgerecht ausgewählter Schläger gemäß einerseits feststehender, anderseits variierender Regeln mit möglichst wenigen Schlägen und in eleganter Haltung über die Bahnen des Platzes geschlagen. Zum Schluss muss das Runde nicht ins Eckige, sondern in ein knapp elf Zentimeter messendes Loch geputtet werden. Als ich aus dem Fenster meines entzückenden Zimmers auf einen Übungsplatz für den Abschlag schaue – ist das bereits die „Driving Range“? – beobachte ich, dass es für Anfänger eine Kunst ist, die Bällchen überhaupt in die Luft zu befördern. Man übt die Abschläge direkt vom Boden aus – Rasenstücke gehen auf die Reise – oder von kleinen Ständerchen, die „Tee“ heißen. Meinen Laptop hatte ich direkt vorm Fenster auf der Konsole und erfuhr bei der Recherche, dass es maßgeblich für erste Erfolge sei, auf das Ständerchen zu setzen, und dass es auf das richtige „Eisen“ ankomme. Ist der Ball erst einmal unterwegs, nähert man sich den „geraden“ Bällen und übersieht meterweite Abweichungen großzügig. Als Auffangbehältnis für die Bälle, die es in die Luft geschafft haben, dienen riesige, schräg aufgestellte, Trampolinen ähnliche Stoffgespanne. Darum herum lag am Abend eine Unzahl Golfbälle im Grün (ist jedes Grün ein „Green?“). Am nächsten Morgen waren sie verschwunden. Da muss wohl jemand völlig lautlos einen mühseligen Job erledigt haben.

Perfektion im Stillen

Völlig lautlos hat auch das Team von Michael Stortz im Hintergrund beim Herstellen des abendlichen Menüs gewirkt. Was aus der Küche geschickt wird, lässt uns begeistert applaudieren. Aufgetragen werden Teller, die man wie ein Gemälde bewundern, jedoch keinesfalls zerstören möchte. Setzt man dennoch dazu an, ist es allerdings dermaßen betörend, dass man sich nur noch auf den geschmacklichen Höhenflug konzentriert. Ich kann nicht anders, als zu schwelgen. Hier stimmt alles, das Handwerk sowieso, hinzu kommt allerdings, was man als kulinarischen Glücksfall einstufen kann: die Passion. Kommt zur Passion noch Präzision und der Wille zum Sieg, ist der Weg nach oben bereitet.

Degustation im Überblick

Radicchio | Safran | Parmesan

Und so war das Menü: Wundervoll abgerundet präsentiert sich Kalbstatar an einem Carpaccio vom Egerling, gekrönt von einer Ochsenschwanz-Praline. Saftiger Langostino in krossem Kateifiteig bettet sich auf Mango und Paprika und pimpt sich mit Kokosjus. Der Liebste ist verzückt, obwohl er Meeresgetier eher skeptisch gegenübersteht 😍. Butterzarte Ente auf hocharomatischem Jus wird flankiert von cremiger Kürbis-Mousseline, der dazu gereichte Erdnusschip sieht aus, wie ein Flügel und verleiht solche. Steinbutt mit Brotkruste - Gott, so zart! – wird umschmeichelt von Tomaten-Hollandaise. Radicchio, Safran und Parmesan werden getoppt von hauchfeinen Selleriefäden, ein phänomenaler „Vegetarian-Clou“.

Himbeer-Sorbet

Himbeere und Apfel treffen sich auf einem Überraschungsteller und sollen erden, wir heben jedoch weiter ab! Reh, besser könnte man es nicht behandeln, wird geadelt mit Paranüssen und Sellerie-Creme. Die winzige Spitzkohlroulade und Nocken von feinstem Apfelmus sind, ich muss den abgenutzten Begriff bemühen – ein Traum. Die Desserts zu beschreiben, käme einer klassischen Restaurant-Kritik gleich, die ich jedoch der stilistisch gähnenden Langeweile wegen, scheue. Ich beschränke mich auf Folgendes: Kokos, Mango, Hocharomatik in der Schokokugel, Kalamansi und später Ziegenkäse tragen uns in den kulinarischen Himmel.

Reh | Paranuss | Sellerie

Von Herzen lächeln hinter Masken

Wir sind jedes Mal erfreut über die überhaupt nicht abgehobene Attitüde des kleinen Restaurants „Le Délice“, das wie ein privater Salon anmutet. Wissen wir doch, dass beglückende Stunden mit ausgeklügeltem Menü und dazu hervorragend passender Weinbegleitung auf uns warten. Eine Offenbarung reiht sich an die nächste, dabei ist die Präsentation der Gänge durch den Service mehr als eine lobende Erwähnung wert, denn Kompetenz und natürliche Freundlichkeit ergänzen sich auf eine Weise, die ich als kaum zu verbessern bezeichnen würde. Selbst zu Corona-Zeiten und hinter blütenweißem Mundschutz wird man angelächelt, mit Augen und Stimme. Das Besondere in diesem Restaurant ist, dass aus dem Herzen gelächelt wird.

Mit Michael Stortz plaudern wir zum Abschluss des Menüs. Er verantwortet als Küchenchef neben zwei veritablen Restaurants im Landhotel mit gehobener Küche das kleine Restaurant „Le Délice“, in dem abseits des laufenden Geschäftes die noch gehobenere Küche gepflegt wird. Diese hätte meiner Meinung nach seit Jahren schon eine Sterne-Auszeichnung verdient.

„Ganz oder gar nicht“ in der Küche

Ein Koch schneidet Kürbiswürfel

Der Küchenchef erklärt mit wenigen Sätzen klar, wie er zu Handwerk und kulinarischer Haltung steht. Er spricht eine deutliche Sprache, die zeigt, dass „Ganz oder gar nicht“ seine Devise ist. Personal wird geschätzt, unterstützt und gefördert, denn den Erfolg trägt ein stimmiges Team. In diesem sind Viele schon über Jahre mit dabei, was in heutiger Zeit und speziell in der Gastronomie nicht alltäglich ist. Stortz selbst, hat bald die zweite Dekade in diesem Haus vollendet. Ausgebildet unter anderem von Dieter Müller, nach Witzigmann und neben Wohlfahrt dem Mentor fast aller bedeutenden deutschen Köche, hat er einen unerschütterlich soliden Ansatz. Er weiß, woher er kommt, und er weiß, wohin er gehen möchte. Das ist viel. Ich bin aufgrund des wiederholt überwältigen Menüs im „Le Délice“ und nach dem die Professionalität unterstreichenden Gespräch überzeugt davon, dass der verdiente Lorbeerkranz demnächst nicht nur von seinen zufriedenen Gästen verliehen wird. Handicap „Null“ würde Michael Stortz meiner Einschätzung nach nicht gefallen, denn ihn trägt die Entwicklung, das Streben nach noch Höherem. Eine Regel für zielstrebige Golfer las ich:

Denke aber immer daran, den Schwierigkeitsgrad erst dann zu erhöhen, wenn Du das Ziel der jeweiligen Stufe erreicht hast.

Golfer hin oder her: Bei Michael Stortz – da kommt noch was!

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