An die Wand gesprüht

Löwe und Leuchtturm

 

 

Warum

... ich mich auch im Urlaub manchmal nicht so recht freuen kann.

Anlass

Ein Urlaub nach zwei Jahren Pause.

Das Sitzen in der ersten Reihe ist begehrt. Dafür wird schon einmal getrickst oder … geschubst. Gerne auch gemotzt, dann nämlich, wenn es nicht klappt mit der ersten Reihe. Face To Face beim Löwen und dem Leuchtturm. Selbst im Urlaub während „Corona“ haben es maskierte Menschen stets auf die erste Reihe abgesehen. Und selbst dann noch, wenn man ohnehin schon am „ersten“, nämlich schönsten Platz angekommen ist. Was für Anstrengungen unternommen werden, lässt mich staunen.
Leuchtturm im Hafen von Lindau

Wie man Gier zur Schau tragen kann, das Beste für sich haben zu wollen, ohne sich zu schämen, und wie man seinen Anstand an den Nagel hängt, lässt mich den Kopf schütteln. „Sie lernen es einfach nicht“, denke ich, trotz der zurückliegenden Einschränkungen, die wir alle erfahren haben.

Eine überbordend geschmückte „Vettel“ (außen hui, innen pfui 🙄) auf der schönsten Seeterrasse Lindaus rauschte bühnenreif davon, weil wir gerade da Platz nahmen, wo sie gerne gesessen hätte. Dumm, dass wir ein My (µ) früher am Platz waren und der Kellner unseren Tisch verteidigt hatte. Gestritten hätten wir uns nicht um das Tischchen. Wir waren schon so oft hier und wussten, dass ein jeder Platz seinen Reiz hat! Die Vettel wusste das entweder nicht, oder sie legte Wert auf Privilegien für ihre Person: „Auf den hinteren Rängen sitze ich nicht. Das ist nicht mein Niveau!“ Samt Pudel zog sie empört von dannen.

Aller guten Dinge sind drei

Wenig später kehrte sie jedoch zurück, um dann in einem anderen Bereich in der ... dritten Reihe Platz zu nehmen. Auch dort hatte man offensichtlich nicht auf sie gewartet. An Demut und Dankbarkeit, dass es inzwischen wieder möglich war, an einem solch wundervollen Ort sein zu können, wird – wie ich beobachte – von vielen kaum ein Gedanke verschwendet, denn die Vettel war zwar auffallend krass, jedoch in ihrer Haltung kein Einzelfall. Mit ihrem völlig übersteigerten Ego legte sie kaum zu bändigenden Zorn und auch innere Schwäche bloß. Sie klunkert mit ihren Klunkern, benimmt sich schlecht, extrem unhöflich, extrem daneben, extrem peinlich, extrem unagenehm. Das sagte damals auch der Liebste, der ansonsten nicht so streng ist, wie ich. Am liebsten hätte ich sie von der Terrasse ins Wasser geschubst. Gut, ertrunken wäre sie nicht, so nahe am Ufer und dank ihrer Leibesfülle.

Apfelstrudel

Sich freuen, an dem, was ist. Das kann so schön sein. Doch ein wenig hat mir das unsympathische Frauenzimmer Laune und Stimmung getrübt. Endlich waren wir wieder an unserem Lieblingssee, endlich wieder einmal im Urlaub. Zwei Jahre war es her, dass ich meinen über alles geliebten Bodensee gesehen, gehört und eingeatmet habe. Ich hatte mir irgendwann verboten, mich darauf zu freuen. Denn immer wieder hatten wir geschoben und uns gesagt, es sei zu unsicher und zu gefährlich. Nie und nimmer hätte ich mit der ewigen Dauer der Pandemie kalkuliert. Immer wieder hielten wir uns vor Augen, dass ein Urlaub, der letzten Endes unvernünftigerweise unternommen würde, nicht der Urlaub sein würde, den wir kannten. Ein Hotel, in dem wir logieren wollten, um herrlich zu essen und schöne Wanderungen zu unternehmen, schrieb unterdessen gar auf der Website

Sie sind uns willkommen. Wir freuen uns auf Sie. Seien sie sich jedoch darüber im Klaren, dass sie nicht den Urlaub erleben werden, den Sie kennen.

Hut ab vor so viel Ehrlichkeit und vor einem hohen Maß an Respekt gegenüber dem Gast. Wir reisten nicht an, denn wir spürten, die Verfasser würden Recht behalten.

Die Reise mit Outdoor-Schwerpunkt

Ich hatte also schließlich mit grummelndem Magen die Koffer gepackt. Lange lebte ich in der schützenden Deckung des Zuhauses und im Home-Office. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, mich an einem anderen Ort sicher zu fühlen. Nun waren wir inzwischen geimpft und dachten, das Risiko wäre doch sicherlich nicht sehr groß. Ich reiste jedoch unentspannt. Im Gepäck hatten wir überwiegend Outdoor-Bekleidung, denn ich wollte möglichst draußen sein, dort auch essen und zum Beispiel einen schönen Müller-Thurgau genießen. Einen Moment hatte ich überlegt, auch unsere Mikrofaser-Decken für „unten herum“ einzupacken, sagte mir dann, das würden die Restaurants auf den Terrassen ganz bestimmt anbieten. Manchmal war das der Fall, doch selbst in besten Destinationen, gab es viel zu wenig Decken. Einmal aßen wir zu Mittag auf einer Terrasse – dort gab es lediglich drei oder vier Decken um die sich die Gäste eifrig bemühten. Hier stand wohl die Hygiene-Regel im Weg, denn solche Decken wollen ja zwischendurch gewaschen werden.

Home-Office im Urlaub

Arbeiten in der Ferienwohnung

Ich hatte eine superschöne, großzügige Wohnung gebucht, denn ich ging davon aus, dass wir nicht anhaltend gutes Wetter haben würden und ich ohnehin eine Freundin von „Plan B“ bin. Keine schlechte Idee, wie sich zeigte. Jeder mit seinem Laptop ausgerüstet, konnten wir zwischen Spaziergängen Nützliches erledigen und Erbauendes erleben. Der Wasserkocher für einen aromatischen Tee zischte nicht selten. Ich stieß auf neue Blog- und Vlog-Formate zum Thema Kochen und Einrichten. Im Gepäck waren ein Raumduft meiner Lieblingsmarke, diverse Kerzen und Teelichte und Müslikekse, so dass wir es in den bildschönen Räumen recht behaglich hatten. Wir genossen die Zeit, wir vertrieben uns Zeit, die Unternehmungen machten mir nur dann uneingeschränkt Laune, wenn wir möglichst „unter uns“ bleiben konnten.

Ohne Pass picken

Gefundenes Fressen: Ein Spatz pickt ein Brötchen

Wir hatten uns vorgenommen, antizyklisch zum Essen zu gehen, um möglichst Kontakte zu vermeiden. Viele Lokale hatten jedoch mittags geschlossen, denn mittlerweile fehlte Personal. Abends packten sie an die Tische, was möglich war und boten stark reduzierte Speisekarten an. Mehrere Male mussten wir sehr nahe an anderen Menschen Platz nehmen. „Da nehmet Sie doch an diesem Tischle bei den Herrschafte Platz!“ Sollen wir? Gehen wir? Wir hatten Hunger – und blieben. Das Wort „Mindestabstand“ war entweder nicht bekannt oder aus dem Bewusstsein verbannt worden. In einigen Restaurants wurde der Impfstatus abgefragt – noch nie hatte ich so akribisch kontrolliert, dass ich mein Handy bei mir hatte. In vielen Restaurants und Gasthäusern allerdings schien „Covid-Kontrolle“ ein Fremdwort zu sein. Wir hatten mehr und mehr den Eindruck, am bayerischen Bodenseeufer wäre Corona überwunden. Möglicherweise überhaupt nicht erst angekommen. Vielleicht hatte ja der sich gerne sehr resolut gebende Ministerpräsident ein energisches Machtwort gesprochen, um das Virus in Schach zu halten!? Er vermittelte ja oft den Eindruck, dass er sich durchaus auch anschicken könnte, virulente Kügelchen zu bezwingen. Eher aber wird er ihnen dann vehement hinterherschimpfen, wenn sie von selbst verschwunden sein werden. Nachtreten ist bei manchen Politikern ein beliebtes Motto.

CovPass Checks

In der Gaststube

In Restaurants wurden wir sehr zu unserem Erstaunen oftmals vom Personal ohne Maske bedient. Wir überprüften immer wieder die Regeln in Biergärten oder auf Terrassen, denn wir hatten nicht mehr das Gefühl, auf einem „gemeinsamen Nenner“ zu sein. Es gab keine einheitliche Handhabung, trotz klarer Vorgaben. Wir begaben uns brav mit Masken an den Sitzplatz, die Service-Kräfte liefen in einigen Lokalen ohne MNS umher. Mir machte der Gedanke, dass sie „oben ohne“ auf die Teller schnaufen und sich womöglich vor dem Auftragen in die Hände geschnäuzt hatten, wenig Freude, und er verdarb mir teilweise den Appetit. „Schnaufen“ trifft es, denn schwitzende Kellner hechteten nachgerade durch die Flure, weil in allen Etablissements ganz offensichtlich Personal fehlte.

No Vaccine: No Guest

Ein neuer Italiener hatte an einem der schönsten Seeplätze eröffnet. Das Essen war sehr gut und das Personal trug konsequent keine Masken. „Chef hat gesagt: Keine Maske bei Arbeit!“ Ist denn am schönsten Ufer des Sees jeder seine eigene Instanz? Und wieso rege nur ich mich darüber auf, wenn insbesondere einer der Kellner, der mehr als irre oder verwirrt wirkte, mich auf eine gefühlte Distanz von 30 cm (brüllend!) ansprach. Er sprach überhaupt immer laut vor sich hin, anfangs dachte ich, er schimpfe. Beim Kassieren hing er über meinem Kopf und brabbelte unentwegt unverständliche Sätze. Andere Gäste fanden ihn wohl auch irre, jedoch fühlten sie sich durch das Gebaren eher belustigt. Ich kam mehr und mehr zu der Auffassung, dass ich mittelschwer eingekrampft war. Die Ansagen des – wie wir erfuhren – mühsam rekrutierten Personals verstanden wir oftmals nicht, denn nur des notwendigsten „Deutsch“ waren sie mächtig. Auch mit „in English“ funktionierte nur fallweise. Klappte es dann mit der Sprache und trug der Service doch einmal Masken, verstand man gerade deswegen wieder nichts. Es brodelte in mir und schließlich platzte mir der Kragen. Ich fragte einen Kellner nach der Impfung, denn als Gast wollte ich wissen, woran ich bin. „No vaccine!“ bekam ich als Antwort. Ich entgegnete „No guest!“, und wir gingen. Entspannter Urlaub geht anders! Die gute Laune hatte wenig Chancen, sich in die gewohnten Sphären zu schrauben.

Am Bahnsteig

In Bus und Bahn war es nicht unproblematisch. Was tun in einem Zugabteil, wenn sich jemand auf einen Klappsitz setzen möchte und beim Herunterdrücken sofort mein Knie schreddern würde? Wer will Betrunkene, die mit Bierflaschen und ohne MNS durch das Abteil ziehen, auf Abstand halten? Wir quetschten uns in den kargen Laderaum für Radfahrer, in dem man sich einigermaßen sicher fühlen konnte. Die Gesellschaft von Kinderwagen, Velos und Hunden lernte ich zu schätzen. Stets waren wir erleichtert, wenn wir die Kurzstrecken hinter uns gebracht hatten. Ab an die frische Luft, runter mit den Masken. Es waren die Kleinigkeiten, die stets vor Augen führten, dass die Situation alles andere als „normal“ war.

Alkohol desinfiziert

Sauerkirsch- und Birnenbrand

Der Einkauf stellte eine eigene Herausforderung dar, denn im beschaulichen Urlaubsdorf lief er anders ab als zuhause. Ich hatte nicht die „eine“ Adresse. Metzgerei und Bäckerei ließen maximal drei Personen ein. Also hieß es, sich anstellen, mit bis zu acht Personen in der Schlange. Die lautstarke Verständigung im Laden über großräumige Plexiglasscheiben hinweg war schwierig, vor allen Dingen, wenn auch die beiden anderen anwesenden Kunden „ihr Bestes“ gaben. Manchmal nahm ich irgendwas, Hauptsache raus, an die frische Luft. Weiter zum Zeitschriftenladen, dann zwischen die Kleiderständer im Kurzwarenladen, denn ich hatte meine Joggingsocken zuhause vergessen. Dem Liebsten noch einen „hiesigen“ Sauerkirschen-Brand besorgt (kleines Gebinde!) und ab in die Wohnung. Hände schrubben. Nach einer gefühlten Unzahl „Maske aufsetzen“ und „Maske wieder abnehmen“, waren Erholung und Durchatmen willkommen. So geballt hatte ich das vor dem Urlaub Zuhause nicht erlebt. In den Taschen sämtlicher Anoraks steckten inzwischen leicht zerknitterte Masken. Egal!

Selbst das geliebte Schiff-Fahren mit der weißen Flotte war nervig. Auf dem Sonnendeck rückten einem Menschen auf den Pelz, die unbedingt auf „dem einen Platz“ sitzen wollten. Nach hektischem Erklimmen der Treppen aufs Oberdeck brachten sie den scheppernden Alu-Stuhl in Position. Nicht selten mit einem quietschenden „Krahhik“ direkt an meine Seite. Ich schäumte gelegentlich und verscheuchte Pellerücker, wenn es sein musste. Eine Frau brachte sich neben mir in Stellung, und nachdem ich sie einen Meter weiter dirigiert hatte, nahm sie sich genüsslich einen Apfel vor. Mit ungewaschenen Händen verabreichte sie sich diesen und schleckte sich nach jedem Bissen die Finger ab. Der Liebste sagte, dass ich nicht so starren solle, doch ich konnte den fassungslosen Blick nicht abwenden. Dann stieg sie aus und fasste mit den abgeschleckten Bratzen die Handläufe an. So macht sich eine Kugel auf die Reise, denke ich.

Löwe und Leuchtturm im Hafen

Als wir am Ende die Koffer wieder ins Auto verfrachteten, war ich traurig. Es war tatsächlich nicht gewesen, wie immer. Ruhe muss einkehren. Das Virus macht was mit uns Menschen! Löwe und Leuchtturm hingegen sind völlig unbeeindruckt und werden den Gegebenheiten trotzen, bis sie einst von Wind und Wetter abgetragen sein werden. Das wird dauern, und wir werden uns mit etwas Glück noch viele Male an ihnen erfreuen.

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