An die Wand gesprüht

Heimsuchung Sabine

 

 

Warum

... ich ab und an ein Mantra brauche.

Anlass

Eine raue Begegnung mit der stürmischen Sabine.

Sabine war da. Ein unerfreuliches Intermezzo. Wir hatten sie nicht gebeten zu kommen, das jedoch war ihr schnuppe. Sabine ist schroff und erschütternd. Was waren wir erleichtert, als sie nach einer unruhigen Nacht und einem extrem ungemütlichen Vormittag abrauschte. Eines ist jedoch sicher: Sabine wird uns nicht mehr ärgern! Das nächste Sturmtief wird einen anderen Namen tragen. 😝
Sturmschäden

Für 199 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer kann man sich in einer Art Patenschaft den Namen eines Sturmtiefs kaufen. Ein Hoch schlägt mit 299 Euro zu Buche. In diesem Jahr tragen die Tiefs weibliche, die Hochs männliche Namen. So war es Jahrzehnte lang üblich. Im Zuge der Gleichberechtigung jedoch wechselt die Namensvergabe nun jährlich. Das heißt, im nächsten Jahr, sind die Männer schuld an Sturm und Hagel. „Sabine“ hat an diesem Februarwochenende einen fulminanten Auftritt hingelegt und uns kräftig die Kreide verhagelt. Insbesondere mir, der Liebste sieht das alles deutlich gelassener. Im schlimmsten Fall, sagt er zum Trost, könne uns das Dach davonfliegen. Bilder über Bilder fluten mein Hirn, und ich stemme mich mit aller Macht dagegen. Dann sagt der Liebste, auch wiederum zum Trost, ganz so schlimm wie „Lothar“ damals, würde es ja vielleicht gar nicht. Lothar, den rüden Zausel hatte ich noch brühwarm in Erinnerung. Die Tanne in Nachbars Garten lag waagerecht in der Luft. Der Gartentisch von nebenan flog über die Balkonbrüstung. Das Gebälk wackelte und ächzte, und der Sturm war im Haus durch eine Art Luftzug dermaßen präsent, dass wir uns auf die Suche nach einem möglicherweise offen gebliebenen Fenster machten. Die Katzennäpfchen blieben unberührt, weil die verstörten – zumindest irritierten – Mitbewohner sich unter die Bettdecke verkrochen hatten. „Danke auch für die Erinnerung an Lothar“, sage ich zum Liebsten. „Ich glaube, ich will jetzt nichts mehr hören!“

Panik On Air

Allmählich steigerte ich mich in eine Stimmung, als stünde ein Tornado mit begleitendem Tsunami bevor. Den ganzen Tag über hörte man im Radio nur noch „Sabine“ und von Sturmböen bis 160 Stundenkilometern. Mit tatsächlich am Feldberg gemessenen 176,8 km/h hat sie die Vorhersage getoppt. Man hätte sich im Vorfeld mit der Tatsache trösten können, dass „Lothar“ damals an die 100 km mehr drauf hatte, und wir auch nicht zugrunde gingen! Das komplette Programm des Radiosenders befasste sich ausschließlich mit der herannahenden Katastrophe. Hörer, bei denen es schon fegte und rüttelte, meldeten sich zuhauf, um ihre Eindrücke zu schildern, kleinste Details wurden zum Ereignis mit Weltuntergangspotenzial aufgebläht. Das Problem dabei ist, dass solche Schilderungen in einer hinteren Ecke des Gehirns als bare Münze ankommen. Das Gehirn bildet sie dann als Realität ab und der Körper entwickelt die passenden Reaktionen. Langsam kriecht mindestens Unwohlsein, im schlimmeren Fall Angst in einem hoch. Irgendwann ist mir diese Panikmache dann auf den Sender gegangen – im wahrsten Sinn des Wortes – und ich habe „Alexa“ angewiesen, auf einen Stream umzuschalten. Ich wollte Gute-Laune-Pop statt Gelaber. Alexa gehorchte, wie immer, klaglos und ich dachte, wie gut, wenn noch auf etwas Verlass ist! Mit Alexa und den Ecken im Gehirn ist das auch so eine Sache. Wie es sich anfühlt, allmählich eine weitere Person im Haushalt zu haben, führe ich ein anderes Mal aus 🙄.

 

Sabine klopft an

Das Radiogelaber war nun auf stumm geschaltet. Aber das Herannahen von Sabine dräute definitiv und zog mich in seinen Bann, denn der Liebste eilte durch Haus und Hof, um alles zu sichern, was nicht niet- und nagelfest war. Blumentöpfe mit hoher Bepflanzung wurden angeseilt, Gartenmöbel auf Balkon und Terrasse, soweit möglich, zusammengeklappt und flach gelegt. Gießkannen und selbst die Mülltonnen mussten in die Garage, damit sie nicht etwa umhertollen und möglicherweise auf der Straße einen Unfall verursachen könnten. Im Keller wurden Sachen nach weiter oben in die Regale geräumt, falls der von Starkregen geflutet würde. Das Vergnügen hatten wir bereits und mir wurde bang und bänger. Meine Nervosität nahm zu und wurde nicht besser, als die Böen an Fahrt aufnahmen. Mir schwante, dass ich in dieser Nacht wohl nicht friedlich träumen würde im sonst so gemütlichen Dachgeschoss!

 

Mein OM: Winterkabeljau

Ich sah mich auf dem Teppich im Fersensitz, um mit größter Achtsamkeit Brahma-Atmen zu praktizieren. Ich würde mich sozusagen mental ins Universum schicken, wo der Orkan ganz einfach nicht existiert, und mir nichts anhaben können würde. Nein, das ist jetzt nicht so ganz ernst gemeint, obwohl ich in der Tat vom Atmen, der Achtsamkeit und dem Universum viel halte! Ich würde mich ablenken, einfach ausblenden, dass da gerade ein Sturm auf uns zu gerast kam. Spüren konnte ich die aufgewühlte Front schon, mir war, als stünde ich unter Strom. Ich musste mich beruhigen, beschloss zu kochen, und inspizierte den Vorrat. Chicorée, Orangen, Pomelo und Äpfel lagen für den morgendlichen Smoothie bereit. Ich konfiszierte sie schon einmal für einen frischen, fruchtigen Salat. Im Froster lagerten „Skrei“, der norwegische Winterkabeljau, und Tiger-Prawns. Her damit, die würde ich auf meinen Salat setzen. Das köstliche Zitronen-Kurkuma-Spitzkraut, von dem noch ein kleiner Rest im Kühler stand, würde die bitteren, süßen und säuerlichen Aromen des Salates durch seine freche Spritzigkeit perfekt ergänzen.

 

Und jetzt: OM

Und so verdankten wir es „Sabine“, dass ganz unverhofft ein köstliches Gericht auf dem Teller landete. Ich schnippelte und werkelte, achtsam atmend, im Zeitlupentempo, denn diese Art der Kontemplation funktioniert bei mir immer. Ich ließ besagte Musik laufen und stellte die Abzugshaube auf die höchste Stufe ein, so konnte ich das stärker werdende Rütteln etwas mildern, denn unsere schicke Haube hat einiges unter derselben 😉. Die Taktik funktionierte zumindest, bis aus dem Rütteln hartnäckige Backpfeifen wurden, die nichts Gutes ahnen ließen. Der Unwetterwarnung zu Folge würde der Aufbau des Spektakels noch Stunden dauern, bis der ausgewachsene Orkan irgendwann zwischen Mitternacht und frühem Morgen über uns hinweg toben würde, hoffentlich, ohne uns platt zu machen. Nicht dran denken, es geht vorbei! OM!

 

Im Schlummer ignoriert

Ich bin ohnehin mit einem guten Schlaf gesegnet. In dieser Nacht jedoch, geschah ein kleines Wunder. Ob es das Universum war, das über mich wachte, ob es das Atmen war, das Kochen, das gute Essen oder das „Stuppi“, das ich mir vorm Schlafengehen genehmigte, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hat das alles zusammengewirkt, aber es hat gewirkt. Ich habe durchgeschlafen, als wäre nichts gewesen. Der Liebste erzählte mir am Morgen, dass es beachtlich gerüttelt, geknarrt und gepfiffen hätte. Ich hatte nichts mitbekommen! In der Nacht waren Bäume umgefallen, Dächer wurden abgedeckt, Bahn- und Flugverkehr waren eingestellt worden, viele Haushalte hatten keinen Strom, Menschen wurden verletzt oder gar getötet. Wir sind wieder einmal recht glimpflich davongekommen und dafür bin ich sehr dankbar. Nur zwei, drei Kilometer weiter hat es dermaßen geschüttet, dass das Wasser wie Springbrunnen einen Meter hoch aus Gullydeckel sprudelte. Hagelkörner, groß wie Tischtennisbälle prasselten in der Nachbargemeinde hernieder und eine Kollegin und Nachbarn mussten ihre überfluteten Häuser verlassen.

Wie schon oft sage ich mir, dass es völlig sinnlos ist, sich vor etwas zu fürchten. Furcht ist reine Projektion und am Ende kommt es meistens doch ganz anders, als man denkt. Die in den letzten Jahren immer häufiger auftretenden Starkregenereignisse, die jedes Mal lokale Katastrophen produzieren, verleiden mir die Sommer. Zu heiß ist mir eh schon und nun kommt auch noch die Unwettergefahr dazu. Nach „Sabine“ haben sich bereits „Tomris“, „Uta“, „Victoria“ und „Wiltrud“ in Stellung gebracht. Wenn die Damen genauso rigide auftreten wie die Vorgängerin, weiß ich, was ich zu tun habe: tief atmen, konzentriert kochen, „Stuppis“ zischen, durchschlafen!

Für Alle, die ein OM möchten oder nur lecker kochen wollen!

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