An die Wand gesprüht

Food im Abteil

 

 

Warum

... ich ger­ne aus (m)ei­ner Box es­se.

Anlass

Kre­a­ti­ve Ge­dan­ken in Kon­stanz zu ei­ner ab­wechs­lungs­rei­chen Mit­tags­pau­se im Bü­ro.

„Bentō“: In ei­ner klei­nen Kis­te, durch Trenn­wän­de un­ter­teilt, wer­den di­ver­se Spei­sen ver­packt und für un­ter­wegs mit­ge­nom­men. „Bentō“ heißt die Box und „Bentō“ wird auch der In­halt der­sel­ben ge­nannt. Bentō-Bo­xen nimmt man in Ja­pan seit über tau­send­fünf­hun­dert Jah­ren mit sich. Und wie Vie­les in dem rie­si­gen In­sel­staat, folgt das Be­fül­len der Bo­xen tra­dier­ten Re­geln.
Bentō-Box

Wichtigste Zutat der mobilen Speisebox ist Reis. Ansonsten ist beinahe alles möglich. Die minimalischste Box ist wohl mit Reis und in Sojasauce getränkten Algen bestückt. Kleine Japaner nehmen ihre Box mit in Krippe oder Schule, um sie noch beliebter zu gestalten, bedruckt man sie unter anderem mit „Hello Kitty“. Große Japaner sind beinahe überall mit ihnen unterwegs: bei der Arbeit, im Zug, beim Picknick und sogar im Theater. In Japan ist „Bentō“ zum Kulturgut aufgestiegen und nicht wegzudenken. Auch wir möchten unsere Böxchen keineswegs mehr missen. Erinnern sie uns stets an ein Lieblingslokal in Konstanz, die „Hafenmeisterei“, direkt am See gelegen. Stunden haben wir hier schon „verbummelt“, die Zeit genießend, Gedanken nachhängend, durchaus auch nützlichen!

Stauraum für die Pause

So sinnierten wir, urlaubend, über den Arbeitsalltag, genauer das mittägliche Büroessen, das uns Falten auf der Stirn bescherte. Die Kantine, nicht schlecht, bringt aber nicht unbedingt das Gesündeste hervor – genau weiß man nie, was man auf dem Teller hat – das kostengünstigste Essen hat man auch nicht vor sich. Auf das Frikadellenbrötchen aus der Bäckerei nebenan passt die gleiche Einschätzung. Stullen sind auf die Dauer langweilig und legen sich auf die Hüfte. Auch auf die Hüfte legte es sich schon länger, dass wir nach dem Abendbrot stets noch übrig gebliebene Gabelhappen vertilgten, obwohl wir schon satt waren: „Damit nichts verkommt!“ Und da hatte ich die zündende Idee. Wir würden uns unterteilte Lunch-Boxen kaufen, in die man eben solche Reste und vieles mehr einfüllen und mitnehmen können würde! Wir googelten und stießen auf: „Bentō“! Die Bestellung erging unmittelbar aus den bequemen Sesseln am Konstanzer Hafen. Seit wir unsere giftgrünen Behälter geordert haben, erleben wir Schönes damit und sind auf direktem Weg zum „Bentōholic“ 😍!

 

Von der Brotdose zum Kultobjekt

Zu Anfang des Bentō-Booms wurden die portablen Boxen aus Holz gefertigt und gerne schwarz lackiert, später stellte man sie aus schnell nachwachsendem Bambus her. Weil sie so preisgünstig produziert werden konnten, wurden sie nicht mehr gespült, sondern kurzerhand weggeworfen. Davon kam man im Laufe der Jahre allerdings wieder ab. Spätestens zu Zeiten des Klimawandels wäre es schlicht undenkbar, dass auf annähernd 7.000 Inseln täglich wer weiß, wie viele Millionen Bentō-Boxen auf dem Müll landen. Während des Krieges trugen Soldaten stabile Alu-Boxen am Gürtel und konnten sich auf diese Weise mit Essen versorgen. Schließlich kehrten die Holzboxen zurück. Die „Bentōbox reloaded“ wurde sehr wertig und edel gestaltet. Weit verbreitet waren schwarze, auf Hochglanz polierte Boxen, die aussahen wie Schmuckkästchen. Schließlich wurde die Box an sich zum Statussymbol, denn nach dem Krieg konnten sich viele kein Bentō leisten.

 

Kreativität in der Box

Lange blieb es still um die mobile Essensbox. Erst ab den Achtzigern erlebte „Bentō“ sein Revival und eroberte das Land erneut im Sturm. Heute gibt es die Bentōbox in unendlich vielen Ausformungen. Holz, Edelstahl, Kunststoff, die Designer überschlagen sich. Für den angemessenen Transport benutzt der stilbewusste Japaner ein „Furoshiki“, ein Tuch, in das die Box eingewickelt wird. Noch schicker sind die „Kinchakus“, praktische Taschen zum Transport von gleich mehreren Boxen als Familienpackung. Der traditionsbewusste Japaner richtet sich sein Bentō zuhause mit selbst gemachten Zutaten her, man kann nachlesen, dass die liebende Mutter am Morgen locker 45 Minuten aufbringt, um dem Sprössling die Schulspeisung zusammenzustellen. Psychologen sagen, der Aufwand lohne sich, denn zwischen Mutter und Kind würde sich auf diese Weise ein festes Band der Verbundenheit spinnen. Auch könne die Mutter dem Kind gegenüber Kreativität walten lassen, indem sie Zutaten in die Box gibt, die das Kind besonders mag. Hier raten Traditionalisten allerdings zum Gegenteil. Packe man wiederkehrend Speisen ein, die das Kind nicht mag, würde es sich an diese gewöhnen, anstatt zum verzogenen Esser zu mutieren. In den Schulen wird zudem darauf geachtet, dass die Böxchen bis zum letzten Krümel verputzt werden 🤮.

Bentō-Shopping auf der Strecke

Passagierbereich der 2. Klasse im Tōkaidō-/San’yō-/Kyūshū-Shinkansen (Baureihe N700), CC BY-SA-3.0, Tennen Gas

Aber auch in Japan haben sich die Zeiten geändert. Mütter arbeiten und besorgen die diversen Ingredienzien für die Boxen in speziellen Bentō-Geschäften. In beinahe allen größeren Kaufhäusern, speziell aber auch in Bahnhöfen sind Bentō-Läden angesiedelt, „Ekiben“ bedeutet übersetzt „Bahnhofs-Bentō“. Jeder Bahnhof hat sein eigenes Sortiment an Gerichten. Man findet somit nichts flächendeckend Konfektioniertes vor. Für mich ein schöner Gedanke: Ich reise mit dem Zug durchs Land und versorge mich mit den unterschiedlichsten Köstlichkeiten der Umgebung. Da kann einem doch das Einerlei aus den Bordrestaurants, wie wir sie kennen, gestohlen bleiben. Ich bevorzuge beispielsweise die Speisen des Bahnhofs von „Yokosata“ oder „Sappokake“ (die Namen sind der Fantasie entsprungen). Dort steige ich aus, bestücke meine Bentō-Box und steige in den nächsten, sekundengenau startenden Zug in meine Richtung wieder ein. Kein Risiko, denn alle wissen, dass auf japanische Züge Verlass ist!

Hier einige Bentō-Klassiker:

  • „Gyuniku“ enthält gebratenes Rindfleisch, „Makunouchi“ Reis, gebratenen Lachs und Omelett.
  • „Shidashi“ ist ein Festessen, das im Restaurant zubereitet und meist zu Mittag ausgeliefert wird: Bentō-Lieferservice!
  • „Sushizume“ finde ich witzig, es bedeutet so viel wie „sehr voll“: Die Box für den großen Hunger! Die könnte mir gefallen 😊.
  • „Hayaben“ ist Bentō, das man ausschließlich vormittags verzehrt.

Zu vielen Anlässen macht „Bentō“ also viele Japaner glücklich. Uns macht Bentō glücklich, weil wir uns damit unabhängig fühlen und nach unserem Geschmack und unseren Bedürfnissen essen können. Wie erwähnt, vernaschen wir am Abend übrig Gebliebenes nun nicht mehr überflüssigerweise, sondern haben schon ein Abteil unserer Box damit gefüllt und die Versuchung bei Seite geschafft. Das Essen ist in Sicherheit, der schrumpfende Hüftgürtel sagt „Danke!“

Meine Bentō-Klassiker

Unsere Box mit fünf Abteilen bestücke ich nun beispielhaft. Abteil 1 (groß) Am Vorabend zubereiteter Salat mit Zucchini, Fleischwurst und Bohnen. Abteil 2: (mittelgroß): Vier gekochte Kartoffeln aus dem Kühler, am Morgen knusprig gebraten. Abteil 3: (etwas kleiner): Ein rasch angerührter Kräuterquark. Abteil 4: rotbackige Aprikosen, denn Sommer ist’s! Abteil 5: (klein und rund): sauer marinierte Pilze aus dem Vorrat. Solche und viele weitere Schätze haben wir nunmehr seit gut einem Jahr zu Mittag. Die Ideen gehen uns nicht aus. Ist wenig Zeit, gibt es Melone mit Schinken, Tomate mit Mozzarella, Omelette mit Pilzen, Käse und Oliven, Paté und Birne, Schafskäse und Feige. Planung ist die halbe Miete und meine Steilvorlage führt in jedem Fall zum Treffer!

 

Abteil Inhalt
Eins (groß) Am Vorabend zubereiteter Salat mit Zucchini, Fleischwurst und Bohnen.
Zwei (mittelgroß) Vier gekochte Kartoffeln aus dem Kühler, am Morgen knusprig gebraten.
Drei (etwas kleiner) Ein rasch angerührter Kräuterquark.
Vier (wie Abteil Drei) Rotbackige Aprikosen, denn Sommer ist’s!
Fünf (klein und rund) Sauer marinierte Pilze aus dem Vorrat.

Solche und viele weitere Schätze haben wir nunmehr seit gut einem Jahr zu Mittag. Die Ideen gehen uns nicht aus. Ist wenig Zeit, gibt es Melone mit Schinken, Tomate mit Mozzarella, Omelette mit Pilzen, Käse und Oliven, Paté und Birne, Schafskäse und Feige. Planung ist die halbe Miete und meine Steilvorlage führt in jedem Fall zum Treffer!

Das Rezept dazu auf FoodLady.de

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