An die Wand gesprüht

Eckart, der Erste

 

 

Warum

... ich Eckart Witzigmann bewundere.

Anlass

Ein Bericht unter anderem im TV über sein Leben und meine Liebe zu Auberginen 😊.

In seinem Restaurant „Aubergine“ wurde Eckart Witzigmann im Jahr 1979 als erster Koch in Deutschland mit drei Sternen ausgezeichnet. Das war eine Sensation! Schon diese Bewertung machte ihn berühmt. Als ihn der Restaurantführer Gault & Millau 1994 schließlich zum „Koch des Jahrhunderts“ kürte, wurde er zur „lebenden Legende“. Die Auszeichnung wurde vor ihm an nur drei andere Küchenmeister verliehen: Bocuse, Robuchon und Girardet. Witzigmann war der erste in Deutschland schaffende Koch, dem diese Ehre zuteil wurde. Bislang ist der Titel an keinen weiteren Koch mehr verliehen worden.
Eckart Witzigmann (Foto: Thomas Iffinger)

Witzigmann und die „Aubergine“ haben kulinarische Geschichte geschrieben. Fünfzehn Jahre wurden ihm dort drei Sterne verliehen. Restaurants mit dem Namen der Eierfrucht gibt es viele in der Republik. Die „Aubergine“ von Eckart Witzigmann jedoch war ein spektakuläres, avantgardistisches und einmaliges Projekt. Mitten im Land der Schweinswammerl und Semmelknödel hat sich der Visionär getraut, seine Version der „Nouvelle Cuisine“ in München zu etablieren. Er hat die kulinarische Welt aufgerüttelt und sich selbst unvorstellbar hohen Herausforderungen ausgesetzt.

Von Washington nach München

Skulpturen vor dem Eingang des Tantris (CC-BY-SA-2.5, Oliver Raupach)

Seine erste Station in München war das Restaurant „Tantris“, wohin ihn der Erbauer, Fritz Eichbauer, nach Empfehlungen von Paul Bocuse und Paul Haeberlin abgeworben hatte. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Witzigmann im besten Restaurant Washingtons und war gerade auf dem Weg, Privatkoch der Kennedys zu werden. Die erste Zeit im „Tantris“ sei nicht leicht gewesen, sagte er in einer Reportage, die ich las. Verspottet sei er worden, weil man ihn als „großkopferten Spinner“ eingestuft hat. Als jedoch bedeutende Kritiker der kulinarischen Szene, wie Wolfram Siebeck, lobend über ihn zu schreiben begannen, war er „gesetzt“. Im „Tantris“ erkochte er sich zwei Michelinsterne. Er verließ das Restaurant und brach zu neuen Ufern auf. Danach übernahm dort Heinz Winkler, nach ihm Hans Haas, der sich 2020 in den Ruhestand verabschiedet. Die Nachfolger werden in sehr große Fußstapfen treten müssen!

Restuarant Tantris, München (©2015_C.A.Hellhake_www.bilderlesung.de)

Aubergine – ein roter Faden

Eckart Witzigmann im Restaurant Aubergine (CC BY SA 3.0, Dreamworlds)

Witzigmann erfüllte sich mit dem eigenen Restaurant „Aubergine“ am Maximilansplatz einen Traum. Im November 1979 kam ein Anruf vom Guide Michelin, der alles veränderte. Der dritte Stern wird vorher angekündigt. Zu überwältigend wäre sonst der Medienrummel, der nach der Bekanntgabe stattfindet. Ab da wurde der Weg noch härter, denn nun saßen ihm Journaille und Öffentlichkeit im Nacken. Der hoch Gerühmte wurde umgehend von Selbstzweifeln gebeutelt. Würde er dem enormen Erwartungsdruck standhalten? Was wäre, wenn nicht!? Um seine Person hat er nie viel Aufhebens gemacht. Nach seiner Philosophie stand stets das Produkt im Mittelpunkt. „Der Star ist das Produkt“, dieser Devise blieb er immer treu. Mit einem untrüglichen Geschmackssinn und einer Besessenheit für gute Zutaten holte Witzigmann aus jedem Produkt das Beste heraus, weil er ihm Achtsamkeit entgegenbrachte. Er blieb dabei schnörkellos und durchaus bodenständig, kombinierte edelste Zutaten aus aller Welt mit Regionalem, wie etwa Meeresfrüchte mit Wirsing oder Trüffel mit Wurzelgemüse.

Kochkunst mit der Kunstfertigkeit eines Michelangelo

Restaurant Aubergine, München (Dreamworlds LLC / CC BY-SA)

Ich verfolge die Geschichte von Eckart Witzigmann, den ich sehr bewundere, schon seit vielen Jahren. Lese alles über ihn, was ich bekommen kann, sehe mir Porträts und Reportagen an. Ruhm hat der „Kochkünstler“ weltweit geerntet. Den steinigen Weg, den er zu bezwingen hatte und die anstrengenden Jahre, die folgten, hätte er wohl nicht ohne die ihm eigene Zähigkeit geschafft. Sein unbeugsames Durchhaltevermögen hat ihm immer wieder auf die Beine geholfen. So richtig verstanden habe ich seine Lebensleistung allerdings erst durch die Biografie „Hamlet am Herd“ von Eva Gesine Baur. Zum einen porträtiert sie im Buch den Protagonisten äußerst tiefsinnig und feingliedrig. Er kommt selbst zu Wort, auch mit begleitenden Fußnoten und Notizen. Seine Geschichte wird von Familie, Wegbegleitern und Bewunderern untermauert. Geschrieben in einem gleichermaßen intelligenten, pointierten wie auch unterhaltenden Stil. Hier hat sich eine Könnerin an den Kochkünstler gewagt. Sie kann sich Vergleiche mit herausragenden Künstlern der Zeitgeschichte erlauben, ohne dass sie abgegriffen erscheinen. So zitiert sie Gault & Millau-Herausgeber Manfred Kohnke, der Witzigmanns Kochkunst mit der Kunstfertigkeit eines Michelangelo, van Gogh oder Leonard Bernstein vergleicht. Baur führt aus, es gebe jede Menge Belege dafür, dass diese Disziplin der Kochkunst, die so viel Disziplin erfordert, zu den Artes liberales hinzugezählt gehört. Was für mich so viel bedeutet, dass Witzigmanns Schaffen über die Dimension des Handwerks weit hinausgekommen ist.

Immer gerade bergauf

Im Buch wird das Erfolgsrezept des Eckart Witzigmann aus einer Vielzahl von Elementen zusammengesetzt. Zielstrebigkeit, Ehrgeiz und Kampfeswille steckten in ihm, aufgewachsen in der heilen, jedoch kontrastreichen und ihn beflügelnden Welt von Bad Gastein. In den Grandhotels, die Reichen aus aller Welt zur Kur und zum Skilaufen.  In der „Siedlung“ der junge Eckart in seiner Welt. Er sah, was möglich werden konnte, und das gab ihm Auftrieb zum Besonderen.

Wer das Erfolgsgeheimnis des Eckart Witzigmann erkunden will, muss dessen Weg von Anfang an nachgehen. Es ist ein mühsamer Weg mit brisanten Steigungen, scharfen Kurven, jähen Gefällen und erneutem Anstieg. Und wer weiß, wo dieser Weg hingeführt hat, will vor allem eines wissen: Wie hat dieser Eckart Witzigmann ihn bewältigt?

Eine Seele auf der Schlachtbank

Das Buch von Baur zeichnet einen unfassbar starken und gleichermaßen verletzlichen Menschen. Es macht seinen Kraftakt greifbar, Ruhm und knochenharte Realität zu bewältigen.

Wie hat er es geschafft, den Mount Everest der Kochkunst nicht nur einmal zu erklimmen, sondern immer wieder? [...] Auch nach Unfällen, nach Abstürzen, wenn alle Gliedmaßen schmerzten und die anderen sagten: Diesmal wird er es nicht mehr schaffen.

Woher bezieht Witzigmann seine seelische Kondition? Als er schließlich in eine persönliche Krise geriet, prasselte Hohn auf ihn hernieder und öffentlich wurden mit erhobenen Zeigefingern hohle Köpfe geschüttelt. Niedergemacht haben ihn damals Presse und Politik. In einem gnadenlosen, giftigen und maßlos übertriebenen Feldzug. Er selbst sprach einmal davon, dass man seine Seele geschlachtet habe. Man spürt beim Lesen Witzigmanns Rastlosigkeit und seine Besessenheit. Mir wurde regelrecht schlecht bei der Vorstellung, wie sich dieser monströse Druck angefühlt haben könnte. Es war sein Wunsch, „gut kochen zu lernen“. Schließlich hat er damit unendlich viel mehr erreicht und bewirkt.

Unterschrift von Eckart Witzigmann

Aubergine

Auberginen

In der „Aubergine“ gab es das Amuse-Gueule „Auberginen à la Aubergine“ auf einem eigens in Auberginen-Design gefertigten Porzellan. Ein wenig Opulenz durfte es schon sein, nicht nur auf dem Teller! Einmal möchte ich die intelligenten Kreationen aufzählen, die sich dort zu einer furiosen Ouvertüre versammelt hatten:

  • Auberginen-Mozzarella-Taler
  • Chips von weißen Auberginen mit Gambas und Curry-Vinaigrette
  • Roh marinierte Aubergine mit Gänsestopfleber
  • Paupiette (Roulädchen) vom Bresse-Huhn mit Auberginen und Zucchini
  • Jakobsmuscheln und Auberginen im Ravioliteig
  • Beluga- und Auberginen-Kaviar mit Sauerrahm
  • Rotbarbe mit Auberginenschuppen

Alles zum Weinen schön und wenn das Foto im Kochbuch nicht lügt, unfassbar köstlich! Zum Trost dafür, dass ich nie werde Gast sein können, weil die Pforten des legendären Restaurants lange schon geschlossen wurden, lese ich immer wieder in einem famosen Kochbuch, in dem Rezept-Highlights aus der „Aubergine“ verewigt sind. An „Auberginen à la Aubergine“ würde ich mich verheben. Wie viele Köche der 18-köpfigen Brigade mögen wohl seinerzeit an diesem famosen Teller mitgewirkt haben?

Eine bescheidene Verbeugung

Ich wage mich dennoch an eine Auberginen-Sinfonie, die großen Genuss bereitet. Miso bringt Umami und Geschmackstiefe. Tomaten, die Fruchtigkeit und Süße in sich tragen und eine zarte Kartoffel-Mousseline mit einem Hauch Parmesan steuern Eleganz bei. Geröstete Macadamia-Nüsse bringen durch ihren Crunch die nötige Abwechslung ins Spiel, denn alle anderen Zutaten sind eher von weicher, geschmeidiger Natur. Eine edle Rezeptur, die man auch hinbekommt, wenn man kein Jahrhundertkoch ist!

Keine Grillen im Kopf

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