An die Wand gesprüht

Die Ersten werden die Letzten sein

 

 

Warum

... ich trotz Wiedereröffnung der Gastronomie sehr nachdenklich bin.

Anlass

Sieben Monate ohne einen Restaurantbesuch leben.

Gastronomie mit all ihren Restaurants wurde während des bundesweiten „Corona-Managements“ erneut rigoros geschlossen. Die Häuser verharren seit November letzten Jahres bis jetzt im ungewollten Dornröschenschlaf. Und noch immer gibt es mit Lokalen, selbst der „Außengastronomie“ kein oder nur wenig Einsehen, auch nicht mit den bekannten Fakten, dass die Ansteckungen überwiegend in Privaträumen geschehen. Ich spreche dabei nicht von Saufgelagen. Gerecht und gerechtfertigt ist die Regelung mit der Gastronomie aus meiner Sicht nicht. Selbst auf das Beste präparierte Restaurants mussten schließen. Über die Eindrücke aus dieser Zeit habe ich mit Spitzengastronomen gesprochen.
Die Ersten werden die Letzten sein

Gedacht hätten wir es nicht, als wir im Oktober letzten Jahres im „schanz. restaurant“ bei Thomas Schanz in Piesport an der Mosel ein beeindruckendes Erlebnis hatten. Kurz davor verbrachten wir zwei wunderschöne Tage im „Land und Golfhotel“ in Stromberg. Wir wurden in beiden Restaurants auf das Beste bewirtet, behandelt und bekocht. Fantastische Menschen waren um uns herum, und wir durften uns in Piesport zudem an einem wunderschönen Kätzchen erfreuen, an „Kitty“, die in einem Körbchen im Hintergrund der Anmeldung gemütlich und von nichts ahnend Position bezogen hatte. Beschaulichkeit kann man aus vielerlei Quellen schöpfen. Die Vierbeiner unter uns tragen dazu mehr bei, als manch einer denken möchte. Wer bereits das Glück eines persönlichen Kontakts mit einem Vierbeiner hatte, kann meine Zuneigung sicher verstehen!

Endlich wieder kochen dürfen

Thomas Schanz

Im „schanz. restaurant“ haben wir einen Abend verbracht, der alles bot, was Gastfreundschaft zum Ausdruck bringen kann. Und doch waren wir bedröppelt, denn uns allen war klar, dass der nächste „Lockdown“ in zwei Tagen vor der Tür stehen würde. Wie gut, dass wir nicht wissen konnten, wie lange er letztendlich dauern würde. Nach all der langen Zeit habe ich mich nun mit Thomas Schanz und anderen seiner Kollegen unterhalten, denn ich wollte wissen, wie man als Gastronom die belastende und die existenzbedrohende Situation verkraftet hat.

Die Schließung hat uns Gastronomen mit voller Wucht getroffen. Ich bringe persönlich Verständnis dafür auf und freue mich jetzt enorm auf die Wiedereröffnung des „schanz. restaurant.“ Zudem bin ich auch dankbar, endlich wieder für meine Gäste kochen zu dürfen.

Thomas Schanz

Mich überrascht diese unverblümte Antwort nicht. Schanz ist Koch aus voller Leidenschaft. Ein Vollprofi und durch und durch kreativer Mensch wird wohl doch nach einiger Zeit im Lesesessel unruhig 😉.

Das fehlende Maß aller Dinge

Thomas Schanz stellt jedoch auch Unverständnis und Fragen in den Raum, die auch im Nachhinein schwer zu beantworten sein werden.

Ein gewisser Punkt hat für mich auch Fragen aufgeworfen: Wenn man eine S-Bahn, einen Supermarkt, und eine Behörde ohne einen gültigen, negativen „Covid 19“ Test betreten darf, warum durfte man sich in einem Gastronomiebetrieb, der sich an alle Hygiene-Regeln gehalten hat, mit einem negativen Test nur auf einer oftmals feuchten Terrasse aufhalten?

Thomas Schanz

Wer mag auf diese Frage eine plausible Antwort geben?

Aus der Bahn geworfen

Wir haben mittlerweile Anfang Juni des nächsten Jahres (2021) und können weitestgehend noch immer nicht in die Gastronomie. Selbst im Außenbereich, der bislang aufgrund der Wetterlage ohnehin nur spärlich genutzt werden konnte, sitzen wir nur nach dem Nasen-Bohr-Test und einem negativen Ergebnis.

Für mich ist diese immer noch bestehende Einschränkung bei den Gastronomen durchaus eine Prüfung, denn der Besuch eines Wirtshauses oder eines Restaurants ist ein wichtiger Beitrag für meine Lebensfreude. Ich frage mich manchmal, was noch alles zusammenkommen muss. Eine gewaltige Prüfung hatten wir alle aus meiner Sicht schon zu bestehen, und das war vor dem Hintergrund der Pandemie erforderlich und richtig. Insofern blieben für mich über lange Zeit Wanderungen an der frischen Luft. Wie aber geht es den Köchen und auch anderen Selbstständigen, die aus ihren Bahnen katapultiert wurden?

Besser geht immer

Thomas Schanz, ausgezeichnet vom „Gault&Millau“ als Koch des Jahres 2021, ist Pragmatiker und hadert nicht, sondern richtet seinen Fokus auf die Zukunft. Auf das Management der Politik angesprochen meint er: „Besser geht immer.“ Räumt ohne Groll ein, dass die Ausnahmesituation „Corona“ für alle Betroffenen neu war und dass er die finanziellen Hilfen seitens der Politik als fair angesehen habe. Auch wenn es dabei zeitlich stark hakte. Er ist mit seiner Schilderung kein Einzelfall.

Freunde, Familie und Kochen

Auf meine Frage, was denn ein Spitzenkoch an den vielen kochfreien Tagen, Wochen und den langen Monaten anstelle von Planen und Kochen so treibt, kommt eine klare und nachvollziehbare Antwort: Da ansonsten in der knappen Freizeit wenig Zeit ist, Hobbys zu pflegen, kümmert er sich verstärkt um Freunde und Familie. Er sagt, er freue sich sehr auf die hoffentlich bald zurückkehrende Normalität: „Ich freue mich darauf, mein Handwerk wieder ausführen zu können, für meine Gäste zu kochen und auf positives Feedback“. Auch auf den „positiven Druck, Herausforderungen zu meistern“, ist er gespannt. Und ungenutzt ließ er die Zeit ohnehin nicht, denn viele neue Konzepte und Rezepturen hat er entwickelt.

Nicht abheben sondern vorsorgen

Spitzenkoch Michael Stortz aus dem Restaurant „Le Delice“ in Stromberg nutzte die Zeit zum Reflektieren, während er dabei sein Rennrad strapazierte. Er macht mich nachdenklich, denn seine Überlegungen beziehen sich auf die Gastronomie im Allgemeinen und auch auf die Zeit nach „Corona“.

Ich mache mir Sorgen über die Abwendung der Beschäftigten von der Branche und einer Umorientierung auf andere Berufszweige. Vor allen Dingen die Auszubildenden hatten während der Corona-Zeiten besonders mit den unsicheren Perspektiven zu kämpfen.

Michael Stortz
Thomas Schanz

Zu unsicher ist es seiner Meinung nach also geworden. Die Auszubildenden sitzen, soweit er sein Netzwerk in der Republik nicht nutzt, auf dem „Trockenen“, und irgendwie muss es ja für Branche und Nachwuchs weiter gehen! In Pflegeberufen hingegen, habe man – wie es aussieht – sein Auskommen. Also denken viele um. Mich erfasst Beklemmung! Er hat Sterneköche wie Tristen Brandt auf die Startrampe gebracht und ist mit Leidenschaft und großem handwerklichen Können am Werk.

Man sollte immer mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben. Das hat uns allen und mir sehr geholfen. Auch wenn das politische Management teilweise chaotisch schien.

Michael Stortz

Nicht abheben und in guten Zeiten vorzusorgen, ist seiner Meinung nach das sicherste Netz, das man haben kann! Dennoch ist viel zu tun, um die Attraktivität von Ausbildungsberufen im Gastgewerbe wieder zu steigern. Das Gleiche gilt natürlich auch für alle regulären Beschäftigungsverhältnisse von Fachpersonal.

Ein Radfahrer liefert  eine Mahlzeit aus (Foto: Kai Pilger, pixabay)

Carpe Diem

Mit anspruchsvollen „Take-away“-Angeboten haben einige Restaurants versucht, sich über die Runden zu helfen, teilweise mit großem Erfolg. In Boxen zusammengestellte kulinarisch hochwertige Menüs haben in Coronazeiten eine neue Klientel erschlossen und Stammkunden getröstet. Doch auch das hat Vor- und Nachteile. Man muss Ware disponieren, und die Unterstützung des Staates hält auch nicht jedem Konzept stand. Michael Stortz gibt außerdem zu bedenken: „Nicht jeder Kunde weiß die »Gebrauchsanleitung« richtig umzusetzen. Schmeckt es dann nicht, kommt es zu Beschwerden. Im schlimmeren Fall zu Reklamationen“. Es gilt abzuwägen. Und ich denke, dass das nicht einfach ist!

Seitenwechsel

In vielen Einschätzungen mit den Köchen bin ich mir einig. Vor allem darin, dass die Gastronomie in ihrem Beitrag zur Lebensfreude nicht hoch genug zu schätzen ist. In einem gepflegten Ambiente schöne Stunden bei einem guten Essen zu verbringen, vermissen viele Menschen derzeit am meisten. Doch nicht nur die Gäste trauern über das verlorene Lebenselixier.

Gesellige und genussvolle Stunden fehlen den Gastronomen ebenso. Man sieht sie aus der Perspektive als Gast stets in der Küche, vergisst leicht dabei, dass auch sie „Tafelfreuden“ nicht abgeneigt sind. Gute Gastronomie ist weit mehr, als die Möglichkeit zu essen, ohne selbst zu kochen. Ich bin in den letzten Monaten auf jeden Fall um einen wichtigen Teil meiner Lebensfreude gekommen. Ich habe mir fest vorgenommen, das alles nachzuholen. Und ich höre bei den Gesprächen immer wieder die Hoffnung auf Normalität heraus, so wie sie bis März 2020 war, und daran wieder anknüpfen zu können. Gleichzeitig hat die verordnete Pause auch Möglichkeit zur Selbstreflexion geboten und kann so zu neuen Ansätzen verhelfen.

Ich träume nach diesen gastronomisch-kargen Zeiten wieder von Hotel- und Restaurantbesuchen. Von gepflegter und gelebter Gastfreundschaft und der hohen Kompetenz gegenüber den Gästen. Es gibt so viele wundervolle Orte, auch in meiner näheren Umgebung. Bald können wir sie wieder besuchen! Und was mich beinahe sprachlos macht: Die Gastronomen, mit denen ich geredet habe, sehen das Positive an der Situation. Kein weinerliches Klagen ist mir begegnet, sondern von Tatkraft und positiven Gedanken getragenes Schauen in die Zukunft. Wie herzerwärmend ist es, wenn nach vorne geblickt wird und das „Licht am Ende des Tunnels“ die Richtung weist!

Auf das, was da noch kommt

Die Ersten, die schließen mussten, werden als Letzte wieder öffnen dürfen. Ich sage noch einmal mit großem Nachdruck: Gerecht ist das nicht! Ich denke jedoch, die benachteiligt behandelte Gastronomie wird einen neuen Stellenwert erreicht haben! Bisweilen vermisst man erst dann etwas im Leben, wenn es nicht mehr fortwährend zur Verfügung steht! Ich möchte die Worte, die Thomas Schanz zum Ende unseres Gesprächs gefunden hat, zum Abschluss zitieren:

Auf eine positive, spannende Zukunft!

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