An die Wand gesprüht

Corona: die Zweite

 

 

Warum

... mir jeden Tag mehr und mehr speiübel wird.

Anlass

Mehr als eine unbesonnene Familienfeier.

Nun haben wir den Salat. Wenn es doch „nur“ Salat wäre, den könnte man einfach verputzen. Gegebenenfalls, um anschließend auf den Boden zu kotzen, und vorbei wäre das Elend 🤮. Ich vergesse meine Kinderstube und drücke aus, wonach mir ist. Ich bin stinksauer und nachdem offenbar viele sich nach Herzenslust ausleben, sei mir ein wütender Ausruf gestattet. Es hätte nicht sein müssen, wenn alle sich zu benehmen und sich zu disziplinieren gewusst hätten. Statt mir die Haare auszureißen, raufe ich sie nur ob der Rücksichtslosigkeit und Egomanie nicht weniger Menschen. Lockdown 😡!
Toilettenpapierstapel

Um das Volk zu beschwichtigen, verniedlicht man den bösen Namen Lockdown. Ein „weicher“ Lockdown, Lockdown „light“, „Wellenbrecher“-Lockdown, ein „Teil“-Lockdown, wie auch immer man das erneute Desaster nennt, so ziemlich alles, was uns im tristen November Freude machen könnte, wird zurückgefahren. Kein Kino, kein Theater, keine Sauna, kein Gasthausbesuch, kein Restaurantbesuch. Für mich weiterhin Home-Office. Keine Kontakte zu den Kollegen, merkwürdiges, eigenbrötlerisches Schaffen, Selbstmotivation ist gefragter denn je.

Noch immer arbeite ich an mir, nicht auf hohem Niveau zu klagen, denn mein Zuhause ist schön, mein Equipment dank des Liebsten ohnehin auf hohem Level, ich kann mir die Zeit einteilen und dann laufen gehen, wenn gerade die Sonne scheint. Es gibt Schlimmeres! Ich wehre mich seit acht Monaten dagegen, mich aus einem geregelten Alltag in eine beginnende Lethargie treiben zu lassen. Es gibt bereicherndes Abhängen, und es gibt lähmenden Stillstand.

Kopfhörer

In einer Comedy des bevorzugten, jedoch mittlerweile auch auf die Nerven gehenden Radiosenders, starren seit neuem Menschen in Büsche. Solange ich darüber noch lachen kann, ist es so schlecht nicht bestellt. Und doch ringe ich die Hände. Die Musikrotation ist mir zu eng – so nennen das Profis wenn sich zu viele Titel zu oft wiederholen – und larmoyant klagende Songs zehren an meiner Stimmungslage. I hate: „Control“ von Zoe Wees. Soll sie doch im heimischen Keller winseln 🙄!

Reale Ego-Shooter

Wir können von Glück sagen, dass kein Komplett-Lockdown verhängt wurde, und wir in unsere Wohnungen eingesperrt sein müssen, wie das in benachbarten Ländern der Fall ist. Beim Frisör war ich gerade noch einmal, nachdem ich den einst akribisch gepflegten Kurzhaarschnitt so lange sich selbst überlassen habe, bis ich nicht mehr in den Spiegel sehen mochte. Das also wäre zunächst erledigt und kann warten. Es schaut gut aus, aber es sieht ja keiner! Als Abwechslung verbleiben der Einkauf des Alltäglichen, der Sport und die Bewegung in freier Natur und für mich das geliebte Kochen. Und von Glück können wir sagen, wenn der Spuk in vier Wochen gelockert werden kann, weil sich nun weniger irre Spreader mit ihren giftigen Aerosolen versammeln und sich anschließend verantwortungs- und sorglos unter die Mitmenschen mischen. Ich möchte nicht wissen, wie viele ihre Symptome ignorieren, verheimlichen und den Teufel tun, sich zum Arzt zu begeben, weil sie die Quarantäne umgehen wollen. Der Liebste trifft es punktgenau: Weicheier, die auf nichts verzichten wollen, und die nicht wissen, wie man das Wort „Verantwortung“ buchstabiert. Man sollte Corona-Shirts bedrucken mit „Ich, ich, ich! Danach kommt lange nichts!“

Panik im März – Hochgefühl im Herbst

In den Bus einsteigen (Foto: Iversen)

Virologe Drosten gibt alles, der NDR-Podcast ist vielen inzwischen Kompass. Die Kanzlerin sah es ebenfalls kommen, sie ist geerdet und halt Wissenschaftlerin. Zwei Wochen vor dem zweiten Lockdown richtete sie sich an die Bevölkerung, um die Bürger wachzurütteln. Sie rief eindringlich dazu auf, Disziplin zu üben und so viele Kontakte wie möglich zu vermeiden. Spott erntete sie von einigen dämlichen bis krawalligen Parlamentskollegen und auch von den sozialen Medien. Von gut bezahlten Politikern unseres Bundestages, die die Sommermonate gelinde gesagt verschnarcht haben. Keine Regelungen für Schulen, denn mein Umfeld erzählt von wild zusammengezimmerten Regularien. In den Klassen mal Masken, mal nicht. Wer will, der kann, die Lehrer müssen. Auf dem Pausenhof Maskenpflicht, wenn der Raum zu klein ist, um Abstand zu halten. Einige stehen im auf den Boden gesprühten Kreis, wie das Männlein im Walde, nicht still und stumm, sondern ohne Maske das Pausenbrot verspeisend. Den „MNS“ auf Hecken und Zäunen abgelegt, nach der Pause sich irgendeinen greifend für den Unterricht. Aufgescheuchte Eltern halten die Kinder an, die Maske um den Hals zu tragen! Ich frage eine wache Zwölfjährige, ob das alles irgendwie einen Sinn mache. Sie schaut mich irritiert an: „Nö. Natürlich nicht!“ Was soll ich nun denken, wissend, dass sie in Bus und Bahn vor und nach dem Unterricht stehen wie die Sardinen?

Zwerge, die verweigern

Einen Brand austreten (Foto:  Jean-Daniel Francoeur, Pexels)

Auch hier unter den Zwergen schon provokative Maskenverweigerer. Ein Junge aus der Nachbarschaft fragte einen anderen, wieso er die Maske nicht tragen würde. Die Antwort: „Weil ich keinen Bock habe!“ „Was soll ich nun tun?“, fragt er, ein kräftiger Junge, und das Raufen ist ihm nicht fremd. Haue er ihm eine runter, sinniert er, bestünde das Risiko, er würde angespuckt. Ist der Busfahrer ermächtigt, den Maskenverweigerer am nächstbesten Bordstein hinauszuwerfen? Wenn ihm dann was passierte, wer würde zur Verantwortung gezogen? Muss der Aufmüpfige einen Ausweis bei sich tragen, der es ermöglicht, gegen ihn vorzugehen, im einfachen Falle die Eltern zu benachrichtigen? Fragen über Fragen, die dem aufgeweckten Jungen nur schwer zu beantworten sind. Die Krise eröffnet viele Möglichkeiten, das Ego auszuleben. Und die Krise ermöglicht es vielen, gegen den Strom zu schwimmen. Weil sie unendlich viele Emotionen zum Klingen bringt und weil sie Aufbäumen und Widerstand erzeugt. Widerstand wogegen auch immer!

Wir müssen jetzt alles tun, damit das Virus sich nicht unkontrolliert ausbreitet. Dabei zählt jetzt jeder Tag.

Angela Merkel, 24. Oktober 2020

Zögern wirft man der Kanzlerin begleitend zu ihrer Amtszeit vor. Mag sein, ich springe nicht in die Bresche, doch nun denke ich, wer, wenn nicht sie, hat denn noch das Handeln in der Hand. Im Hinterzimmer mache sie alles aus, verlautet es, erst danach würde diskutiert. Das Parlament möchte eingebunden sein, und zwar beizeiten, schallt es durch Plenarsaal und Medien. Wer aber hindert die Herrschaften am aktiven Handeln, wer hat sie geistig sediert? Politiker meines Bundeslandes „fordern“ eine Aufstockung der Gesundheitsämter, schauen gen Himmel und legen die Hände in den Schoß! Was soll das? Ein vorlauter und für seine Allgemeinplätze bekannter Fraktionsvorsitzender blafft: „Wir Politiker können nicht zaubern!“ Das hat niemand verlangt, den Job machen wäre eine realistische Option!

Plenarsaal im Deutschen Bundestag

Ein faltiger Ego-Shooter

Ich bin auf dem Boden der Tatsachen und möchte einfach nicht infiziert werden. Was ich tun konnte, habe ich getan, bereits Maske getragen, als sie noch nicht allgemein verordnet worden waren. Wohin haben sich die lauen Schnarchbacken denn verzogen, als Zeit zum Handeln war, und woher nehmen sie nun die Frechheit aus dem „Off“ zu gackern! Ein Präsenzparteitag wird abgesagt und ein schmollender, einem chinesischen Faltenhund nicht unähnlicher Parteivorsitz-Anwärter hat nichts Besseres zu tun, als zu bekritteln, man wolle ihn ausbooten. Was für ein maßlos übersteigertes Ego in Anbetracht der ernsten Lage! Gesagt hat er es nicht so, doch ich frage mich, ob es ihm egal ist, wie viele von hunderten Teilnehmern dem Risiko der Infektion ausgesetzt werden, Hauptsache, dem auf das Amt fixierten Millionär wird die Bühne geebnet! Das Kotzen wird mir zum Dauerzustand!

Die „Alles Easy“–Spötter

Familienfeier in Coronazeiten (Foto: Redaktionsnetzwerk, Deutschland)

Spott habe ich auf mich gezogen, als ich nicht an Feiern mit vielen Gästen in nicht gut zu belüftenden Wohnzimmern teilnahm. Ich wurde in die Ecke der „Ängstlichen“ gestellt, in der ich mich jedoch nicht sehe. Meine Motivation sind Vorsicht und Rücksicht. Den Ignoranten macht diese Sichtweise zu viele Umstände und erzeugt zu viele Fragezeichen. Also: hinfort damit! Es wird schon gut gehen. Was bitte, soll ich mit diesem Spruch: „Man wird nur einmal achtzig!“ Soll ich schonungslos erwidern, dass die Einundachtzig mit etwas Pech den gespreaderten Aerosolen zum Opfer fällt? Ich bin traurig, weil ich von den Feiernwollenden isoliert bin, es ist jedoch meine Entscheidung. „Du kannst ja kommen, aber wir feiern drinnen“, höre ich Mitte Juli am gefühlt einzigen Regentag des Sommers. Die Möglichkeit, einen Tag später zu feiern, kommt nicht infrage, denn „Bei uns feiert man Geburtstage auf den Tag!“ Basta. Was muss, das muss. Wie es war, so hat es zu bleiben! Scheiß auf das Virus! Das Virus kann uns mal! Im Zweifel, möchte ich hinzufügen, kann es das tatsächlich!

Appelle auf dem Flickenteppich

Ich fühlte mich jenseits politischer Zuordnung im Schatten des drohenden zweiten Lockdown angesprochen und ernst genommen von der Kanzlerin als sie sich über den Flickenteppich der Republik und der Länder hinweg an den Einzelnen wandte. Denn letztlich kann nur jeder Einzelne von uns das Geschehen durch sein Verhalten beeinflussen. Es mag uns nicht gefallen, denn es schränkt uns ein – was viele so überhaupt nicht leiden mögen – aber es ist eine Tatsache, an der man nicht vorbeidiskutieren kann. Nun werden auch noch breitbeinig die Grundrechte bemüht, die man Umfragen zufolge nachweislich zwar nicht kennt, auf die man aber gerne pocht, wenn es passend erscheint. Ach ja, die freie Entfaltung der Bürger … Welche denn eigentlich, denke ich. Sollten sie doch alle einmal mit der Möglichkeit geistigen Wachstums beginnen, denn das ist in unserem Land beileibe nicht eingeschränkt. Es macht allerdings gegebenenfalls Halt, je nachdem, welche Taste der Fernbedienung am TV-Gerät gedrückt wird!

Bill Gates' 5G-Killer-Impstoff-Spreader-Weltherrschaft

Das Erhellende an auf Tatsachen basierenden Fakten akzeptiert man, oder man fällt in Schockstarre und begibt sich in Abwehrhaltung. Dann folgt das, was man heute „Leugnen“ nennt. Früher sprach man davon, dass Menschen Unliebsames „unter den Teppich kehren“. Letzteres jedoch tat man still, heimlich, etwas sollte verschwinden. Das Leugnen ist mittlerweile eine aggressive Haltung, die man öffentlich zur Schau trägt. Man ist „anti“, man ist „in“, man bezieht simpel und primitiv Stellung, also ist man „Wer“.

„Man“ ist bescheuert und gefährdet sich und andere, sage ich. Da ist es schon wieder, das Dauerkübeln! Mir stinken einige meiner Mitmenschen, und wenn ich mit Händen anzeigen möchte, bis wohin es mir steht, reicht Armeslänge über dem Kopf nicht!

Abwägen ohne Schale

Das Schwierige an der derzeitigen Situation ist das andauernde Abwägen. Was kann man, was darf man, was muss man tun, damit man nicht die Energie einbüßt, die wesentlich für eine gesunde Lebenshaltung ist? Man muss für das Wohlergehen von Körper, Geist und Seele sorgen und einen Einklang für sich finden. Das Virus verdichtet, worum es im Leben geht. Es bringt auf den Punkt, worauf es ankommt. In manchen bringt es die Schwächen nach vorne, in anderen die Stärken. Ich komme darauf zurück, dass es jeder Einzelne von uns in der Hand hat, was er daraus macht. Ich will profitieren, so viel steht fest. Zwischendurch einmal die Haare raufen, wütend schreien oder auf den Boden kotzen gestehe ich mir dabei zu! Das Ventil muss sein. Ein Ventil, dass jedoch niemandem Schaden zufügt!

Ich war mit dem Liebsten drei Tage vor dem November-Lockdown noch einmal im Restaurant. Ein feines Restaurant an der Mosel, über dem Sterne leuchten. Mit mir gerungen habe ich, als die Lage sich zugespitzt hat, ob wir es wagen sollten. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir in einem großzügig ausgelegten Lokal mit Ab- und Zuluftanlage wohl nur ein geringes Risiko eingehen würden. Der Abend war großartig, ich werde die nächsten Wochen und Monate davon zehren. 

 

Mein Lockdown-Mantra

Ich forme mit Hingabe mit Linsen und gerösteter Paprika gefüllte Spitzkohlbällchen, bepinsele sie mit Nussbutter, backe sie golden und fertige ein feines Püree aus Kartoffeln und Meerrettich. Ein paar knackige Erdnüsse streue ich darüber und denke, bis der zweite Lockdown überstanden ist, koche ich uns was Gutes und halte uns geistig und körperlich gesund. Wir leben dankbar weiter, maulen nicht, stecken den Kopf nicht in den Sand und passen auf uns und andere auf. Es wird ein Leben ohne die virulente Kugel geben, das steht fest. Bis dahin schmücken wir das Zuhause und genießen, was wir haben!

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