An die Wand gesprüht

Chilling Chickens

 

 

Warum

... es wohltuend ist, manche „Normen“ einfach mal zu ignorieren.

Anlass

Ein Besuch auf einem „Inklusionsbetrieb“. Und die Freude, die ich dort empfunden habe. 

Im Süd­osten des Saar­landes liegt das UNESCO-geschützte Bio­sphären­reser­vat Blies­gau. Mitten­drin betreibt die „Lebens­hilfe für Men­schen mit Behin­derung“ den „Wintringer Hof“. Hier wird In­klu­sion ge­lebt und Bio­land­wirt­schaft betrieben: Man trägt stolz das „Bioland“-Sie­gel. Alles ist so, wie es sein soll: Nach­haltig­keit im Ein­klang mit Mensch, Tier und Natur. Ich freue mich, hier zu sein!
Ein Pfauenauge auf einem Weinblatt

Die Rinder, Schweine und Hühner haben es gut. Gemüse und Obst gedeihen prächtig. Der Hof ist wunderschön, und ich spüre seine Schwingungen, seinen Spirit, deutlich. Dieser Besuch hat mich schwer beeindruckt. Das Szenario, dass sich mir bot, schien schon im ersten Moment so klar geordnet und wohltuend unaufgeregt. Die vielen Menschen, die hier arbeiten, sind geschäftig und konzentriert. Dabei wirken sie ruhig, zufrieden und heiter. Sie freuen sich augenscheinlich darüber, dass sie gebraucht werden, und ich höre, dass es eher selten einmal Probleme in der Zusammenarbeit gibt. Für einen reibungslosen Ablauf und ein gutes soziales Klima in den Gruppen sorgt pädagogisch geschultes Personal. Das Geben und Nehmen ist gegenseitig. Es ist gut, wenn jeder Mensch seinen Platz in der Gesellschaft hat, denn das macht uns alle reicher!

Raum für Alle

Tiere haben hier ebenfalls ihren Platz gefunden, ich vermute, den richtigen. Bestens untergebracht und versorgt sind sie. Hier sind sie keine Nummern, sondern werden als Kreatur geachtet. In dem hochmodernen Schweinestall leben die Tiere in Wohngemeinschaften in einer Art Dreizimmerwohnung. In den geräumigen Boxen gibt es einen Außenbereich mit frischer Luft und Sonne, es folgt der Futterbereich und nach hinten hinaus stehen Schlafkisten für die nötige Ruhe bereit. Die gemütlichen Tiere wirken zunächst behäbig auf mich. Ich erschrecke, als sie schlagartig auf ihren kurzen Beinen im Affenzahn in eine Richtung stürmen: Es gibt Futter! Als im Stall plötzlich Sprühregen einsetzt, möchte ich mir die Augen reiben: Es ist Sommerwetter und recht warm! Genau deswegen bekommen die Schweine regelmäßig eine kühlende Dusche, denn sie können von sich aus nicht schwitzen und überhitzen sich schnell. Bekommt der Hof neuen Zuzug, reisen die Tiere in Gruppen an. Sie haben alle dieselbe Herkunft, nennen wir es einmal „Sippe“. Weil sie sich schon kennen, haben sie während des Transportes keinen Stress und die Eingewöhnung ist harmonisch und problemlos. Man ist sich selbst Gesellschaft genug und beachtet die Hofälteren erst gar nicht. Kämpfchen: überflüssig!

 

Im Schweinestall belauscht

Schweine brauchen Beschäftigung, denn wenn ihnen langweilig wird, kommen sie auf dumme Gedanken. In den Ställen auf dem Hof hängen und liegen diverse Holzstämme, die sie herumschubsen oder sich daran schubbern können. Auch bei der Fütterung geht es interessant zu. Der tierische Gourmet würde von Ausgewogenheit, Abwechslung und unterschiedlichen Texturen im Trog sprechen. Aus diesem Grund knabbern sich die Tiere auch nicht gegenseitig an Ohren oder Schwänzchen herum. Sie sind gesund und munter und die Ringelschwänzchen dürfen sich keck kringeln, während die Ohren bei jeder Brise fröhlich flattern! Aus dem Stall höre ich sehr unterschiedliche Laute. Reden die miteinander? Analog menschlicher Aggregatszustände „zufrieden schmunzeln, unzufrieden runzeln“, kann ich unterscheiden, dass ein helles Quieken eine gewisse Aufregung oder ein Erschrecken quittiert. Das sonore Grunzen scheint mir großes Behagen auszudrücken. Die Vorstellung vom tierischen Stimmungsbarometer gefällt mir: Hier wird wenig gequiekt und viel gegrunzt!

Rindvieh auf der Wanderung

Auf dem Hof leben Glanrinder, eine alte Rasse. Die Mutterkuh-Herde grast entweder dicht beim Hof im Schatten unter alten Bäumen, oder sie macht, wie heute, einen Ausflug. Einen geschlossenen Ausflug wohlgemerkt, denn nicht eines ist dageblieben! Wir sehen die Rinder weit oberhalb auf der sonnigen Weide stehen. Saftig grüne Wiese, darauf die braun-beigen Rinder, darüber der strahlend blaue Himmel mit bauschigen Wolken: Das ist schon ein sehr schöner, erhabener Anblick. Ich werde ein wenig andächtig! Die Jungkühe dürfen mindestens zwei Jahre bei der Familie bleiben. Wachsen sollen die Kälber, Grünfutter fressen, schönes Muskelfleisch ausbilden. Kalbfleisch hat der Hof nicht im Sortiment! Meine Seele macht einen Luftsprung, denn ich lehne das Schlachten von Babytieren ab. Der Mensch sollte nicht alles machen, was er machen kann!

Chilling Chickens

Die Hühner spazieren auf Wiesen herum, halten immer wieder inne, scharren und picken. Sie haben Schattenplätze, Sonnenplätze und Hühnerhäuser zum Schutz gegen Regen und Feinde. Möglicherweise einfach als Rückzugsort. Viele Hühner kauern aber auch gemütlich am Boden oder auf Zäunen (!) und chillen, die Augen auf Halbmast. Dabei geben sie ganz leise ein langgezogenes „goooooh...“ von sich. Ein gemütliches Geräusch!

 

Küken mit wachsamen Augen

Im Domizil der neuen Küken geht es allerliebst zu. Ich schaue in das Hühnerhäuschen und bin entzückt. So süß sind die, flaumig und tapsig. Dabei hellwach und aufmerksam. Auf der dick ausgelegten Einstreu und unter Wärmelampen fühlen sie sich sichtlich wohl. Sie tschilpen, was das Zeug hält! Mir zuliebe wurde die Tür kurz geöffnet, damit wir schöne Fotos machen konnten. Hatten wir zunächst Sorge, dass die kleinen Dinger ausbüchsen würden, erlebten wir das Gegenteil: Auf einen Schlag saßen sie allesamt in der hintersten Ecke, dicht an dicht. Und starrten uns an, entweder forschend oder ängstlich. Oder beides. Auf jeden Fall waren sie fest entschlossen zu bleiben!

Ich habe noch nie einen Hof wie diesen gesehen. Hof und Landschaft sind harmonisch miteinander verbunden. Alles ist geschäftig, erbaulich und unaufgeregt. Wohin man schaut, sieht man Schönes. Landschaft, Tiere, Obstwiesen, Gemüse, der quirlige Hofladen und das sehr ansprechend gestaltete Landgasthaus samt Biergarten bilden eine Symbiose und sind einen Besuch wert. Der könnte so aussehen: Man meldet sich zu einer Führung an oder schaut einfach so vorbei. Sieht sich um und genießt die Atmosphäre. Kehrt ein und speist etwas Leckeres.

Das Rezept dazu auf FoodLady.de

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