An die Wand gesprüht

Blattgold im Wasser

 

 

Warum

... ich er­fah­ren woll­te, was man un­ter „hei­mi­scher Fisch­zucht“ ver­steht.

Anlass

Ein TV-Be­richt ü­ber ei­nen nach­hal­ti­gen Fi­scher.

Es gibt Ta­ge in mei­nem Le­ben, die mir im Nach­hi­nein so be­zau­bernd in Er­in­ne­rung sind, dass ich mich zeit­wei­se fra­ge, ob al­les nur ein Traum war. So ei­nen Tag hat­te ich am Wo­chen­en­de. Wir ha­ben ein idyl­lisch ge­le­ge­nes, tra­di­ti­ons­rei­ches Fo­rel­len­gut be­sucht. Die Land­schaft wie aus dem Bil­der­buch, ein his­to­ri­sches Guts­haus am En­de ei­nes saf­tig grü­nen Ta­les. Wir ha­ben viel ü­ber die Fo­rel­len­fi­sche ge­lernt und uns na­tür­lich ei­ne Aus­wahl von Köst­lich­kei­ten in un­se­re er­war­tungs­froh schnur­ren­de Kühl­box ge­packt.
Ladenschild (Forellengut Rosengarten)

Das „Forellengut Rosengarten“ in Trassem in Rheinland-Pfalz, liegt entlegen am Ende eines Tales, malerisch wie im Bilderbuch. Eingebettet in Wälder und Wiesen, dazu zwei gemächlich dahinfließende Gewässer, viel Licht und Luft. Die Süßwasserfischzucht von Marc Rosengarten existiert seit 1957, gegründet hat sie sein Vater. Der Familienstammbaum reiche zurück bis ins 17. Jahrhundert, erzählt Rosengarten nicht ohne Stolz. Die Familie kommt ursprünglich aus den französischen Niederlanden und ist viel umhergezogen. Auf den Stationen lernte der Vater alles über Salmoniden und Forellen. Weil man schließlich der Pacht und des Umherreisens überdrüssig war, wollte man nun einen eigenen Betrieb gründen. Der Weg führte ins Leucktal nahe Saarburg. Man traf auf eine Länderei mit einem abgewirtschafteten Gutshaus und war zunächst skeptisch gestimmt. Die optimalen Bedingungen aber, die das Gelände für weitläufige Fischbecken bot, überzeugte die Familie. Hier war Platz zum Leben für alle. Die Zeit war gekommen, sesshaft zu werden.

 

Eine Weggabelung

Dann ereilten den Vater gesundheitliche Probleme und das Unternehmen war gefährdet. Marc Rosengarten hatte sich zu diesem Zeitpunkt für die Juristenlaufbahn entschieden. Gefallen an den Fischen hatte er jedoch schon längst. Besonders verlockend schien es ihm, viel Zeit in freier Natur zu verbringen. Er wollte etwas Lebendiges um sich haben, es umsorgen und es aufwachsen sehen. Also entschied er sich für die Fischzucht. Er sagt, er habe das Richtige getan. Besonders reizvoll sei das unmittelbare Erleben der Jahreszeiten, denn die Arbeit auf dem Gut kennt keine Ruhezeiten: „Im Winter, wenn es kalt ist, drohen schon einmal die Hände einzufrieren. Umso schöner, wenn man dann wieder im Warmen ist und das Gefühl hat, etwas Nachhaltiges zu schaffen.“ Rosengarten sagt, es erfülle ihn mit tiefer Zufriedenheit, wenn am Ende des immer wiederkehrenden Kreislaufs ein hochwertiges Produkt entstanden sei. Man kann ahnen, dass für ihn der Beruf Passion ist.

Teamgeist im Becken

Wie in einer Fischzucht nicht anders zu erwarten, bekommt man es mit vielen Fischen zu tun. Bei Weitem nicht nur „Forellen“, wie es der Name zunächst vermuten lässt. Wir haben viele Becken umrundet und begegneten Saiblingen, Lachsforellen, Bachforellen und schillernden Goldforellen, die ihrem Namen alle Ehre machen. Sie könnten von einem Künstler mit Blattgold ummantelt worden sein.

Fische bringen eine Eigenschaft mit sich, die man nicht in ihnen vermuten würde: Teamfähigkeit. Das führen zum Beispiel die Bachforellen und die Störe vor. In Symbiose leben die einen oben im Becken, während sich die anderen in der unteren Etage mit der Reinigung des Bodens beschäftigen. Im Saiblingsbecken wiederum machen sich stattliche Karpfen als Putzerfische nützlich. „Symbiose“ bedeutet das Zusammenwirken von Lebewesen zum Nutzen aller, wir sprechen also von einer Art Nachhaltigkeit. In einem Lebensraum, der vom großzügigen Flächenbesatz bis hin zur Nahrung der Fische komplett auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Das Konzept des Forellenguts führt dazu, dass die Fische offensichtlich zufrieden sind, denn krank, sagt Rosengarten, sind sie so gut wie nie. Auf Medikamente kann er verzichten.

 

Im Zuchthaus

Wir besuchen die Aufzuchtbecken in einem trutzigen, zwischen alten Bäumen liegenden Häuschen, das Marc Rosengarten schmunzelnd als „Zuchthaus“ bezeichnet. Um das zu erreichen, balanciert man über zwei wackelige Bohlen. Für den Ungeübten ein kleines Wagnis! Zahlreiche Bassins und Becken sind nebeneinander aufgebaut, in denen die Larven ihre unterschiedlichen Lebensstadien durchlaufen. Flache Wannen mit Fischeiern werden ständig mit Frischwasser durchspült, damit Keime keine Chance haben. Sind die filigranen „Mikrofischlein“ geschlüpft, so wiegen 1.000 Stück von ihnen zarte 80 Gramm. Sie können pro Tag ein bis zwei Prozent ihres Körpergewichts als Nahrung aufnehmen und davon dann ein Prozent an Gewicht zulegen. Eine gewaltige Leistung, gemessen am Aufwachsen von Säugern! Nach einem Jahr wiegen sie im Durchschnitt 50 bis 60 Gramm. Haben sie nach einem weiteren Jahr ein Gewicht von 350 bis 400 Gramm erreicht, ist ihre Lebensaufgabe erfüllt.

 

Kühler Kopf beim Räuchern

Wo Fisch lebt, da liegt es nahe, dass geräuchert wird. Nicht nur veredelt wird der Fisch, sondern auch haltbar. Räucherlachs und geräucherte Lachsforelle sind bei den Kunden begehrt. Ebenso der saftige „Stremel-Lachs“, der vor dem Räuchern in Streifen geschnitten und in Lake eingelegt wird. Geräuchert wird in Jahrzehnten alten Räucheröfen auf Buchenholz. Die kaltgeräucherten Fische werden zunächst gebeizt und dann bei 25 °C „kühl“ geräuchert. So bleibt die Struktur des Fisches fester und das Raucharoma ist zurückhaltend. Heißräuchern benötigt eine Temperatur von mindestens 60 °C. Es geht schneller, ist jedoch weniger schonend als das Räuchern bei niedriger Temperatur, gart den Fisch gleichzeitig und macht ihn länger haltbar. Von der „gestremelten“ Lachsforelle nehme ich mir ein Stück mit, bette sie auf Rote Bete und Apfel und verpasse ihr obenauf scharfe Chips-Brösel. So viel steht jetzt schon fest: fantastisch der Besuch, die Geschichten und das Essen!

Aus der Wanne in den Fluss

Das Gut betreibt ausgelagert auch Flussfischzucht für Karpfen und Aale. Zum Karpfen gibt es vom Gutsherrn eine Geschichte zum Schmunzeln. Viele Karpfen, die vor Weihnachten geordert und in der Badewanne oder einem anderen geeigneten Behältnis bis zum Verzehr herumschwimmen, will man schließlich doch nicht essen, sondern wieder in die heimischen Becken zurückbringen. Waren die Kinder die Ursache, die den Fisch gefüttert und ihm möglicherweise einen Namen gegeben haben? Oder hat sich das Familienoberhaupt schließlich vor dem letzten Akt gescheut? Allerdings dürfen die Fische aufgrund von möglichen Bakterien nicht zurück in ihre ehemaligen Becken. Sie werden ihr Leben selbstständig in Saar oder Mosel weiterführen müssen. Hoffen wir, dass das Auswildern gelingt und die vorher behüteten Fische sich bei der Futtersuche zurechtfinden!

 

Das Ziel am Ende

Man kann viel dazulernen, bei einer Begehung mit Marc Rosengarten, denn auch die bemerkenswerte Vita der Aale lässt den Unkundigen staunen. Alle, wirklich alle Aale schlüpfen in der Sargassosee im Salzwasser. Dann schwimmen sie drei Jahre lang, um an die europäischen Küsten zu gelangen, von wo aus sie weiter in die Binnengewässer wandern. Dort leben sie weit über zehn Jahre und futtern sich eine gewaltige Speckschicht an. Nun wandern sie den weiten Weg zur Sargassosee zurück, um dort zu laichen. Sie schwimmen ein Jahr lang bis zu fünftausend Kilometer, ohne Nahrung aufzunehmen, gegen den Golfstrom an! Sind sie am Ziel angekommen, haben sie sämtliche Fettreserven aufgebraucht, pflanzen sich fort und sterben. Irgendwie irrsinnig, was die Schöpfung sich da ausgedacht hat!

 

Kein Störenfried

Die Führung bietet mir viele Highlights, zum Beispiel einen kleinen Stör zu streicheln. Da er um sich herum eine Art Panzer trägt, der zur Bewehrung mit unzähligen spitzen Zacken besetzt ist, empfahl es sich, nur die unbewehrten Zonen zu streicheln! Der Abschluss der Führung macht mich andächtig und nachdenklich. Hinter dem Haus zieht in einem lang gezogenen Kanal der alte Haus- und Hof-Stör seine Bahnen. Er ist auf unerklärliche Weise dem Schlachten entgangen und bekommt nun auf dem Forellengut sein Gnadenbrot. Sein Gewicht schätzt Marc Rosengarten auf über 20 Kilo. Als wir aus der Räucherkammer heraus an das Ende des Kanals treten, steht das hochbetagte Tier unter uns im Wasser, so als hätte es gewusst, dass wir kommen. Ein gewaltiger Fisch! Ob der Gutsherr ihm einen Namen gegeben und ihn heimlich herbeigerufen hat? Leckerlies zum Anlocken jedenfalls hat er nicht verfüttert 😉.

Das Rezept dazu auf FoodLady.de

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