An die Wand gesprüht
Aus der Saatgutkiste
... ich es so wichtig finde, dass es große Vielfalt gibt.
Saatgutschurken wollen Kartoffeln vom Teller vertreiben.
Inspirierende Kochformate unterhalten den Zuschauer. Sind sie sehr klug entwickelt worden, kann er zudem etwas lernen. Zum Beispiel über gute Lebensmittel und über verantwortungsvolle Landwirte, die sie produzieren. Ein solches Format wird vom NDR produziert. Tarik Rose, Koch und Kerl von der „Waterkant“ präsentiert in „Iss besser!“ seine „wilde Küche“. Besucht unter anderem Bauern auf ihren Äckern, ihren Weiden und in ihren Ställen. Lernt selbst auch noch was und kocht mit bescheidenem Equipment auf den Höfen unkomplizierte jedoch kulinarisch intelligente Gerichte, stets auf einer Art Kanonenöfchen, drall und bauchig. Gut gelaunt ist er derweil zu einem „Schnack“ aufgelegt, lässig und charmant. Für die Drehs macht er sich hoftauglich und tauscht die cleane Kochjacke gegen kernige Flanellhemden. In einer der Sendungen lernte ich den Bioland-Hof der Ellenbergs kennen und staunte in Übereinstimmung mit dem Koch von der Elbe über die unglaubliche Vielfalt von Kartoffeln, die auf dem Hof in Barum, in der Lüneburger Heide, angebaut werden. Weit über hundert Sorten werden vorgehalten, für Neuzucht aber auch zur Erhaltung. Unermüdlich werden neue Kreuzungen erprobt, Kartoffeln und Sortiment immer weiter optimiert. Karsten Ellenberg sagt schmunzelnd, dieser fortwährende Prozess sei keine Mühe, sondern reine Freude. Letzteres glaube ich sofort, Ersteres nicht so ganz 😉.
Vom Kartoffel-Ranking und einer Silbe „lie“
Ich teile die Liebe zu den Kartoffeln, wenn auch vom anderen Ende der Produktionskette her. Die kräftezehrende bäuerliche Arbeit ist eher nicht mein Ding. Dafür ist mir beinahe keine Arbeit zu viel, wenn es darum geht, den köstlichen Knollen in meiner Küche zu der ihnen gebührenden kulinarischen Anerkennung zu verhelfen. Suppe, Salat, Auflauf, Kloß, Rösti, Fritte: Das Aufzählen meines gesamten Kartoffel-Habitats wäre zu umfänglich. Ein Ranking halte ich zudem für ungerecht! Seine Kartoffeln in einer Art persönlicher Beliebtheitsskala einzuordnen, fiele Karsten Ellenberg sicher ebenfalls schwer, da er alle seine Sorten schätzt, sonst würde er sie schließlich nicht anbauen. Jede hat ihre eigene Persönlichkeit, vom Aussehen über Kocheigenschaften bis hin zum wichtigsten Merkmal, dem Geschmack. In dem WDR-Format „Planet Wissen – Kartoffelvielfalt“ sehe ich den umtriebigen Landwirt wieder. Mit Begeisterung und Strahlkraft spricht er über das Wesen der Kartoffel und bekennt dann doch, dass er die „Rote Emmalie“ besonders mag, nicht nur weil sie so gut schmeckt und so schön cremig ist, sondern auch, weil sie den Namen von Großmutter Emma trägt. Die „Rote Emma“ gab es im Sortenregister bereits, also hat man das flotte „lie“ an Omas Name gehängt!
Das Monopol auf die Saatgutkiste
Ärgerlich hingegen stimmen Karsten Ellenberg die Saatgutmonopolisten, und damit steht er weiß Gott nicht alleine da. Die alten Sorten zu erhalten und weiterzuentwickeln, das ist seine Antwort auf das krude Diktat der Konzerne. Als sie „Linda“ aussortiert hatten, nahm er sich – gemeinsam mit gleichgesinnten Bauern – ihrer an und unter Einsatz einer nicht unerheblichen Lizenz-Gebühr wurde der überaus beliebten Kartoffel das Weiterleben ermöglicht. Es ist schon erschütternd, dass nicht mehr als vier Konzerne über das weltweit ausgebrachte Saatgut entscheiden. Und nicht genug damit: Sie haben den Einsatz von unter dem Oberbegriff „Pflanzenschutzmittel“ laufenden glyphosathaltigen Totalherbiziden globalisiert. Das Knospen und Sprießen der „Blaue Anneliese“, der „Violetta“ und der „Heidemarie“ sind denen keine Herzensangelegenheit, den Ellenbergs aber schon. In den Konzernen dreht sich alles um Marktmacht, bei Familie Ellenberg dreht sich alles um die Kartoffel. Im bestens sortierten Hofladen finden die Kunden sie alle. Wenn sie Saison hat, auch „La Bonnotte“, die ihre Wiege auf der winzigen französischen „Île de Noirmoutier“ hat und die, wenn sie tatsächlich dort geerntet wurde, eine sündhaft teure Rarität ist. Ich denke, in der Heide wird sie nicht mit Atlantik-Algen gedüngt, aber köstlich schmecken wird sie dennoch. 500 Euro, die französische Spitzengastronomen gerne mal für das Kilo hinblättern, wird der ambitionierte Kartoffel-Lukulliker auf dem Heidehof sicher nicht lassen müssen.
Ich nehme meinen leicht anwachsenden „Fußabdruck“ in Kauf, denn diese Kartoffeln aus passionierter landwirtschaftlicher Arbeit will ich probieren. Ich bestelle mir ein schönes Sortiment der Knollen. Wer weiß, vielleicht miete ich mir nächstens einen Hänger und schaue einmal persönlich in der Heide vorbei!
Das Rezept dazu auf FoodLady.de