An die Wand gesprüht

Aufgeblasene Brote

 

 

Warum

... es so viele Brotsorten gibt und so viel Brot auf dem Müll landet.

Anlass

Eine Kundin, die Brot nur in Rundform kauft und bei Kastenbrot verzweifelt.

Die Deutschen sind Weltmeister im Brotverzehr und Brotbacken, sagt man. Dass wir über dreitausend verschiedene Brotsorten hervorbringen, mag dafür sprechen. Schaut man sich viele der Brote näher an, beginnt man über mancherlei Unfug, der ihnen angetan wird, die Hände zu ringen.

3.200

Brotsorten

bei der UNESCO registriert.

500.000 t

Tonnen

Brot landen jährlich auf dem Müll.

Der Grundbaukasten für ein gutes Brot besteht aus Mehl, Wasser, Salz und entweder einer Hefemutter oder Sauerteig. Durch Hinzugabe von Gewürzen wie Kümmel, Anis, Koriander, Fenchel oder Schabzigerklee sowie der Beigabe gerösteter Saaten, bäckt der Liebste auf solider Basis ein Brot. Ich kann mich nicht oft genug über das herrliche Gebäck auslassen, denn ich liebe es über die Maßen. Daher achte ich sorgsam darauf, dass nicht ein Krümel davon verkommt, das ist Ehrensache!

Aufgeblasene Brote

Die meisten Brote, die ach so geliebt werden im Land, kommen aus der Industrie und werden mit Backmischungen hergestellt, die alle möglichen Zusatzstoffe enthalten. Zusatzstoffe, die einerseits deklarierungspflichtig sind. Andererseits allerdings gibt es eine Reihe von Zusatzstoffen, die nicht ausgewiesen werden müssen, was nicht bedeutet, dass sie nicht schädlich sein können. Stabilisatoren sorgen dafür, dass sich der Teig immer gleich verhält und Turbotriebmittel helfen, Zeit zu sparen. Neben guten Grundzutaten braucht ein Brot in erster Linie Zeit. Und genau die gibt man ihm nicht, denn Zeit ist Geld.

Die Massenbrote sehen appetitlich aus und tragen Namen, die Gesundheit suggerieren, wie zum Beispiel „Karotte Vital“. Zudem sind sie in Tüten mit in leuchtendem Orange und saftigem Grün bedruckten Banderolen verpackt, so dass der unkundige oder sorglose Käufer denkt, er halte Natur pur in den Händen. Er habe das gekauft, was man ein „ehrliches Brot“ nennt. Aber es sind nicht nur die Brotgiganten, die für den Niedergang der Brotqualität und das „Bäckersterben“ verantwortlich sind. Auch in vielen Kleinbäckereien kommen Teigmischungen zum Einsatz, um den Aufwand zu minimieren, nicht zuletzt deswegen, weil die Kunden auf eine riesige Auswahl bestehen. Dann stehen sie vor dem Regal und können sich nicht entscheiden.

 

Das Eckige gehört nicht ins Runde

Oder sie bestehen trotz großer Brotvielfalt auf genau dem einen Brot, an das sie gewöhnt sind. Kürzlich habe ich in der Bäckerei eine völlig fassungslose Kundin erlebt, die genau das eine runde Brot wollte, das sie immer kauft. Es war aus – Katastrophe! Die Verkäuferin offerierte der Frau ein Kastenbrot aus exakt dem gleichen Teig, das sie unter Wehklagen über die Enttäuschung kaufte. Die Frau war in einem Alter, bei dem man davon ausgehen muss, dass sie Krieg und Hunger erlebt hat. Mir blieb ein Kopfschütteln über die Inflexibilität und Undankbarkeit der Menschen! Der Dorfbäcker meiner Kindheit hatte Weißbrot, Mischbrot und Roggenbrot, Milchbrötchen, Wasserbrötchen und Doppelwecken im Regal. Ich kann mich dennoch beim besten Willen nicht an ein Gefühl von Mangel erinnern! Oder doch: Wenn man nicht früh genug zum Brötchen holen ging, dann waren sie aus. Wohl dem, der vorbestellt hatte!

Brot: ex und hopp

Nun scheint es, dass die Deutschen ihr Brot nicht ganz so wertschätzen, wie sie behaupten. Denn sonst würden in unserem Land wohl kaum über 500.000 Tonnen (!) davon pro Jahr im Müll landen! Vielleicht schätzt man das Brot nicht, weil man es zu billig einkauft. Brot ist allumfassend zu bekommen, also nach Belieben weg damit! Fragen über Fragen kommen mir in den Sinn, wenn ich über das widersprüchliche Verhalten vieler Konsumenten nachdenke. Immer mehr Menschen glauben, dass sie eine Glutenunverträglichkeit haben. Wissenschaftler führen die rumorenden Blähbäuche jedoch zum einen auf Hochleistungsweizen zurück, der bestimmte Zuckerverbindungen enthält, die unverdaulich sind. Biogetreide, bei Weitem nicht so ertragreich, enthalten deutlich weniger von diesen in der Forschung „FODMAP“ genannten Kohlehydratgruppen. Es gilt als erwiesen, dass die Stoffe in Brot mit langer Teigführung abgebaut werden. Es leuchtet also unmittelbar ein, dass ein Brot nach 24 oder gar 48 Stunden Gehzeit dem Körper allein schon aus dieser Hinsicht zuträglicher ist als Brot mit Gärbeschleuniger, das nach drei Stunden vom Fließband in die Verpackung katapultiert wird. Schnell muss es gehen, billig muss es sein. Immer dasselbe Elend: Hässliche Gier!

 

Standardisierte Lochmuster

Ein gutes Brot erkennt man an seiner Kruste und an seiner Porung. Und da tut sich der nächste Abgrund auf. Kunden sind mittlerweile dermaßen verbildet, dass sie nur noch konfektionierte Ware akzeptieren, die dem entspricht, was sie gewohnt sind. Ist die Porung nicht klein und ebenmäßig, wie bei von Stabilisatoren gestütztem Industriebrot, mögen die Kunden das Brot nicht. Ungleichmäßige und grobporige Brote verschmähen sie. Französische Baguette oder italienische Ciabatta aber kaufen sie dennoch, denn da gehören die Löcher ja schließlich auch hinein 🙄!

 

Willkommen zum Abendbrot

Gerade erlebt das Abendbrot eine Renaissance. Die Schweden pflegen ihr „Smörgåsbord“, den „Butterbrottisch“ und bepacken ihre Tische, bis sie sich biegen unter köstlicher Last. In oft stundenlangen Vorbereitungen tischen sie im wahren Sinn des Wortes alle möglichen Begleiter für Brot auf, von Wurst, Käse, Antipasti aber auch Obst, Aufstriche, Pasten und sogar Fisch. Alles ist möglich und viel Butter muss es sein! Bis hinunter nach Down Under hat sich der Trend durchgesetzt, dort gibt es inzwischen Caterer, die alles für das „Smorging“ wahlweise nachhause liefern oder eine Picknickbox fürs Abendbrot unter freiem Himmel zusammenstellen. Wer gutes Brot mit Gutem belegt, ist hipp und trendy! Schmiert euch ein paar Stullen oder macht meine putzigen, krachgesunden Canapés nach. What ever: Feel well, Good Smorging!

Das Rezept dazu auf FoodLady.de

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